Nach Reifung der Eizelle außerhalb des Körpers und künstlicher Befruchtung – Kinder entwickeln sich gesund und ohne Auffälligkeiten
Hat die Reifung von Eizellen außerhalb des Körpers vor der künstlichen Befruchtung Auswirkungen auf Schwangerschaft und Kinder? Ein interdisziplinäres Team aus Wissenschaftlern und Wissenschaftlerinnen des Universitätsklinikums Heidelberg hat die Daten aus 138 internationalen Studien ausgewertet und kam zu dem Ergebnis: Reif geborene Kinder, die mit Hilfe künstlicher Befruchtung nach einer sogenannten In-vitro-Maturation (IVM) gezeugt wurden, entwickeln sich bis zum zweiten Lebensjahr, das ist die in den Studien beobachtete Zeitspanne, entsprechend anderen Kindern in diesem Alter. Auch die Schwangerschaften verliefen in den untersuchten Gruppen unauffällig. „Die Ergebnisse sprechen dafür, dass für Kinder nach einer In-vitro-Maturation keine gesundheitlichen Schäden zu erwarten sind und auch die Mütter von einer komplikationslosen Schwangerschaft ausgehen können. Das ist eine gute Nachricht für Frauen, die aus medizinischen Gründen auf eine IVM angewiesen sind", sagt Prof. Dr. Thomas Strowitzki, Ärztlicher Direktor der Abteilung für Gynäkologische Endokrinologie und Fertilitätsstörungen an der Universitäts-Frauenklinik Heidelberg, dessen Team die IVM seit mehr als zehn Jahren erfolgreich durchführt. Die Ergebnisse sind in „Human Reproduction update", dem weltweit führenden Journal für Reproduktionsmedizin, erschienen.
Ein Team unter Leitung von Prof. Strowitzki und Dr. Sabine Rösner, Abteilung Gynäkologische Endokrinologie, sowie Dr. Tom Bruckner vom Institut für Medizinische Biometrie und Informatik (IMBI) prüfte die Datensätze der 138 Studien und nahm schließlich die Daten von 1.000 Kindern bis zum zweiten Lebensjahr aus 16 dieser Studien in die Analyse auf. Der Grund: Die Studiendaten wurden nicht einheitlich erhoben, sind daher teils heterogen und schwer zu vergleichen. „Nicht alle Studien fragen dieselben Kriterien ab, daher mussten wir Datensätze ausschließen. Trotzdem konnten wir so die Entwicklung von deutlich mehr Kindern verfolgen als es in den kleineren Einzelstudien möglich ist. So erhielten wir ein klares Bild", so Strowitzki: „Bei reif geborenen Kindern nach einer IVM lag das Geburtsgewicht im normalen Rahmen, es gab keine erhöhte Fehlbildungsrate und auch die Frühgeburtenrate hebt sich nicht von der bei anderen künstlichen Reproduktionsverfahren wie etwa der In vitro Fertilisation (IVF) ab." Auch die Schwangerschaften verliefen bei den Müttern ohne Komplikationen, mit Ausnahme vereinzelter Fälle von Bluthochdruck. „Die Analysen haben teilweise zwar Bluthochdruck gezeigt, wir gehen aber davon aus, dass dies in Verbindung mit dem Polyzystischen Ovarialsyndrom steht, unter dem die betroffenen Frauen leiden. Nach unserem Ermessen ist das Auftreten wohl nicht auf die IVM zurückzuführen", erläutert Strowitzki. Die aktuellen Ergebnisse bestätigen eine bereits 2017 veröffentlichte Studie unter seiner Federführung.
Bei der IVM werden nach einer kurzen hormonellen Stimulation, bei manchen Frauen auch ohne Stimulation, unreife Eizellen aus den Eierstöcken entnommen, die über 24 Stunden in einem speziellen Nährmedium reifen, dann befruchtet und in die Gebärmutter zurückgesetzt werden. Diese Methode eignet sich in erster Linie für Frauen mit einer Funktionsstörung der Eierstöcke mit Ausbildung zahlreicher kleinster Eibläschen, dem sogenannten Polyzystischen Ovarialsyndrom (PCO-Syndrom). Betroffene haben ein hohes Risiko für eine Überreaktion auf die fast 14-tägige Hormonstimulierung, die bei der gängigen Methode der künstlichen Befruchtung zur Anwendung kommt. Diese sorgt dafür, dass die Eizellen vor der Entnahme in den Eierstöcken selbst heranreifen, bevor sie zur Befruchtung entnommen werden. Für eine IVM ist dagegen, wenn überhaupt, nur eine kurze Hormonstimulation von zwei bis drei Tagen nötig.
Aufgrund des hohen Aufwands eignet sich die Methode nicht als Routinetechnik für niedergelassene Zentren. In Deutschland wird die IVM ausschließlich in der Abteilung für Gynäkologische Endokrinologie und Fertilitätsstörungen an der Universitätsklinik Heidelberg angeboten. Die Zahl der jährlich behandelten Frauen schwankt zwischen zehn und vierzig. Aktuell arbeitet das Team um Prof. Strowitzki bereits an der nächsten Studie: „Wir untersuchen momentan die Entwicklung der Kinder bis zum achten Lebensjahr. Hierbei sind wir natürlich nicht nur mit den Eltern in engem Austausch, sondern auch mit Erziehern und Lehrern, um die weitere Entwicklung umfassend beurteilen zu können."
In der Kinderwunschambulanz in der Abteilung für Gynäkologische Endokrinologie und Fertilitätsstörungen werden jährlich mehr als 4000 Frauen beraten und behandelt. Dazu arbeitet das Team der Kinderwunschsprechstunde eng mit der Hormonambulanz, der Sektion für Reproduktionsgenetik sowie anderen Fachbereichen des Universitätsklinikums zusammen. Die Reproduktionsexperten wählen aus einem breiten Spektrum an Methoden der künstlichen Befruchtung für jede Patientin die passende Behandlung aus.
Literatur
Two-year development of children conceived by IVM: a prospective controlled single-blinded study. S. Roesner, M. von Wolff, M. Elsaesser, K. Roesner, G. Reuner, J. Pietz, T. Bruckner, and T. Strowitzki. Human Reproduction, Vol.32, No.6 pp. 1341–1350, 2017
Maternal and neonatal outcome and children’s development after medically assisted reproduction with in-vitro matured oocytes-a systematic review and meta-analysis. T. Strowitzki, T. Bruckner, and S. Roesner. Human Reproduction Update. DOI: 10.1093/humupd/dmaa056
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Das Universitätsklinikum Heidelberg ist eines der bedeutendsten medizinischen Zentren in Deutschland; die Medizinische Fakultät Heidelberg der Universität Heidelberg zählt zu den international renommierten biomedizinischen Forschungseinrichtungen in Europa. Gemeinsames Ziel ist die Entwicklung innovativer Diagnostik und Therapien sowie ihre rasche Umsetzung für den Patienten. Klinikum und Fakultät beschäftigen rund 13.700 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und engagieren sich in Ausbildung und Qualifizierung. In mehr als 50 klinischen Fachabteilungen mit fast 2.000 Betten werden jährlich circa 80.000 Patienten voll- und teilstationär und mehr als 1.000.000 mal Patienten ambulant behandelt. Gemeinsam mit dem Deutschen Krebsforschungszentrum und der Deutschen Krebshilfe hat das Universitätsklinikum Heidelberg das Nationale Centrum für Tumorerkrankungen (NCT) Heidelberg etabliert, das führende onkologische Spitzenzentrum in Deutschland. Das Heidelberger Curriculum Medicinale (HeiCuMed) steht an der Spitze der medizinischen Ausbildungsgänge in Deutschland. Derzeit befinden sich an der Medizinischen Fakultät Heidelberg rund 3.500 angehende Ärztinnen und Ärzte in Studium und Promotion.
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