Von Menschen und Mensch*innen
Anfang des Jahres sorgte der Duden für Schlagzeilen, als er eine Version seines Online-Wörterbuchs vorstellte, aus dem er das generische Maskulinum verschwinden ließ. Brauchen wir eine solch „geschlechtergerechte“ Sprache? Können wir die Gleichberechtigung der Geschlechter vorantreiben, indem wir gendergerecht reden und schreiben? Wohl kaum ein politisches Thema sorgt derzeit so verlässlich und anhaltend für Streit wie die zunehmende Ausbreitung des Gendersterns, der vom Zeitungsartikel bis zum Kundenbrief und vom Behördenformular bis zur Brettspielanleitung für Geschlechtergerechtigkeit sorgen soll. Fast im Tagesrhythmus füllt diese Debatte die Spalten der Presse, in der sich erbitterte und zuweilen polemische Auseinandersetzungen geliefert werden. Rund um das emotional aufgeladene Thema ist also eine starke Polarisierung zu beobachten.
Fabian Payr bezweifelt, dass traditionelles Deutsch tatsächlich, wie von der feministischen Sprachkritik behauptet, eine sexistische „Männersprache“ ist, die Frauen systematisch in die Unsichtbarkeit drängt. Und er bezweifelt, dass eine gendergerechte Sprache den gewünschten Effekt hat: „Gegner des Genderns beklagen massive Eingriffe in gewachsene Sprachstrukturen, fühlen sich durch das ‚betreute Sprechen‘ bevormundet und kritisieren die moralische Aufladung des Diskurses durch Sprachaktivisten. Sie beobachten in vielen gesellschaftlichen Bereichen wie Verwaltungen, Behörden und Universitäten einen zunehmenden Zwang zum Gendern – und das bei einer nur geringen Akzeptanz dieser Sprache in der Bevölkerung.“ Die von vielen als künstlich und schwerverständlich empfundene Sprache werde nicht selten als von oben verordnete Zwangsmaßnahme empfunden. Kritisch setzt sich Payr auch mit den „psycholinguistischen“ Studien auseinander, die in den Augen von Befürworter*innen des Genderns belegen, dass das generische Maskulinum vorrangig mentale Bilder von männlichen Akteuren hervorruft. Er zeigt im Detail auf, warum diese Studien wenig aussagekräftig sind. Außerdem geht Payr folgenden Fragen nach: Wieviel Sexualisierung verträgt die Sprache? Wieviel Inklusion kann Sprache leisten? Kann Sprache überhaupt „gerecht“ sein? Ist konsequentes Gendern überhaupt möglich?
Ob Pro oder Contra: Das Buch von Fabian Payr ist interessant für alle, die in die Vielschichtigkeit einer aktuellen Debatte eintauchen und neue Argumente kennenlernen möchten.
Fabian Payr studierte Germanistik und Romanistik sowie Theater-, Film- und Fernsehwissenschaften an der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main. Während und nach dem Studium war er als Kultur- und Lokaljournalist tätig. Anschließend studierte er Musik an der Darmstädter Akademie für Tonkunst. 1993 gründete der Komponist und erfolgreiche Autor von musikdidaktischen Lehrbüchern zusammen mit seiner Frau das Unternehmen Musica Viva, das Workshops im Bereich der Erwachsenenbildung ausrichtet.
Fabian Payr
Von Menschen und Mensch*innen
2021, 172 S.
Softcover € 19,99 (D) | € 20,55 (A) | sFr 22.50 (CH)
ISBN 978-3-658-33126-9
Auch als eBook verfügbar
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