Europaflagge über 73. Urologen-Kongress
„Die Vernetzung der Urologie in Deutschland mit den Nachbarländern bietet Chancen in Wissenschaft, Ausbildung und Patientenversorgung, die wir besser als bisher nutzen können. Dazu gehört auch, dass wir uns vermehrt um Dinge wie Gesetzgebung und finanzielle Unterstützung, die in den Gremien der EU in Brüssel entschieden werden, kümmern müssen, um die europäische und damit die deutsche Urologie zu stärken“, sagt Prof. Stenzl. Beispiele hat er parat: „Während der gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) trotz aller Interventionen der DGU, hochkarätiger Institutionen und zahlreichen nationalen wie internationalen Fachgesellschaften sowie dem Bundesverband Prostatakrebs Selbsthilfe (BPS) Ende 2020 gegen den PSA-Test als Teil der gesetzlichen Prostatakrebsfrüherkennung in Deutschland entschieden hat, kommen aus Europa positive Signale. So sieht die EU-Kommission in ihrem jüngst veröffentlichten Europäischen Krebsplan eine Aktualisierung ihrer Empfehlungen zur Krebsfrüherkennung vor und wird Prostatakrebs möglicherweise in ihre Früherkennungsprogramme aufnehmen.“
Auch bei Innovationen ist europäische Zusammenarbeit angezeigt, so der DGU-Präsident: „Nach wie vor dauert die Zulassung eines Medikamentes noch relativ lange. In meiner Eigenschaft als Mitglied des Leitungsgremiums der ECO, habe ich das auch schon bei der Gesundheitskommissarin Stella Kyriakides bei der europäischen Kommission angemahnt. Hier tut sich aber einiges: Im Bereich des Prostatakarzinoms in fortgeschrittenen frühen Stadien, wo ja erfreulicherweise eine längere Lebenserwartung zu sehen ist, wird von den Behörden zum Teil nicht mehr auf ein Gesamtüberleben gedrängt, sondern man akzeptiert in einigen Fällen für eine Zulassung auch das progressionsfreie Überleben (PFS). Damit kann die Zeit bis zu einer Zulassung aufgrund dieser Daten doch deutlich verkürzt werden.“
Leitlinienkooperation mit der EAU sparen, nach Stenzls Worten, Ressourcen und nehmen bereits konkrete Form an: „Das DGU-Vorstands-Ressort für Leitlinien und Qualitätssicherung arbeitet schon eng an gemeinsamen Leitlinienerstellungen mit dem Guidelines Office der EAU zusammen.“
Das Bild der deutschen Urologie aus europäischer Sicht wird übrigens der Generalsekretär der Europäischen Gesellschaft für Urologie, Prof. Christopher Chapple, in seinem Eröffnungsvortrag auf dem 73. DGU-Kongress im Herbst in Stuttgart zeichnen.
Dass die nationale und internationale urologische Community auf der weltweit drittgrößten Tagung des Fachgebietes in diesem Jahr wieder in physischer Anwesenheit zusammenkommt, steht für den Kongress-Präsidenten fest: „Wir setzen beim 73. DGU-Kongress in Stuttgart ganz klar auf eine Präsenzveranstaltung. Dies stützt sich zum einen auf der Tatsache, dass es bereits jetzt in den großen Räumlichkeiten des Internationalen Congresscentrums Stuttgart ein ausgeklügeltes Hygienekonzept gibt. Bis zum Sommer werden außerdem das gesamte medizinische Personal und weite Teile der Bevölkerung durchgeimpft sein. Und letztendlich findet der Kongress eine Woche vor der Bundestagswahl statt…Es wird aber in Stuttgart ein neues, innovatives Konzept eines umfassenden Videostreamings geben, das wir, wie bei vielen anderen großen Kongressen, zahlungspflichtig anbieten werden. Es wird Teilnehmende nicht davon abhalten, die Vorteile einer Präsenzveranstaltung zu nutzen, ermöglicht es aber, dass Besucher, die zum Beispiel berufsbedingt nicht an allen vier Tagen des Kongresses anwesend sein können, Teile des wissenschaftlichen Programms von daheim vor dem Computer verfolgen können“.
Unter dem Kongressmotto „eUrologie“ hat Prof. Stenzl neben Europa und der „Eurologie“ auch den digitalen Fortschritt im Blick. „Digitale Medizin, Tele-Health, künstliche Intelligenz – auch diese Themen werden entsprechend dem Motto des Kongresses einen breiten Raum einnehmen. Namhafte Redner bis hin zu Beratern der Bundesregierung werden Konzepte und Bedürfnisse der Urologie diskutieren“, sagt der DGU-Präsident, der zudem die €logie ins Visier nimmt. „Bezüglich der allgemeinen Kosteneinsparung würden wir gut daran tun, selbst Kosten dort zu reduzieren, wo es weder den Patienten noch uns Urologen weh tut, aber vor allem zu keinen Einschnitten bei der Qualität der urologischen Patientenversorgung führt.“ Der renommierte Uro-Onkologe mit Schwerpunkt rekonstruktive Urologie betont: „Gerade die onkologische Urologie muss heutzutage gemeinschaftlich und in Teamarbeit im multidisziplinären Tumorboard diskutiert und entschieden werden. Hier ist es wichtig, dass der urologische Vertreter auch in den nicht-chirurgischen und interventionellen Behandlungsmöglichkeiten und Behandlungssequenzen seiner onko-urologischen Patienten ausgebildet ist. Deutschland nimmt dabei eine Vorreiter- und Vorbildfunktion in der Tätigkeit und Ausbildung uro-onkologischer Kollegen ein. Wir sollten das bisher Erreichte aber nicht nur erhalten, sondern weiter ausbauen zum Wohle der Patienten, aber auch zur Einsparung von Ressourcen. Patienten müssen nicht im Rahmen ihrer Behandlung mehrfach zwischen Kollegen verschiedener Disziplinen hin und her wechseln.“
Im Kongressprogramm ist die Uro-Onkologie auch 2021 stark vertreten: etwa mit mehreren Updates der onkologischen S3-Leitlinien für die Praxis und Erweiterungen in der Diagnostik, zum Beispiel bei Hodentumoren, der urinbasierten Diagnostik beim Blasen- und Prostatakarzinom sowie der Bildgebung.
Neue Erkenntnisse erwartet Prof. Stenzl u.a. auch bei Methoden der minimalinvasiven Therapie gutartiger Erkrankungen wie der BPH und der Inkontinenz, in der Kinderurologie und der Infektiologie. Aktuelle Highlights setzt er mit zahlreichen hochkarätigen Kursen unter anderem zum Beurteilen von MRT, zur genetischen Beratung, zu Hygieneerfordernissen und zum Impfwissen, das den Urologen als Impfarzt stärken soll.
Viralen Infektionen widmet der überzeugte Verfechter einer europäisch vernetzten Urologie in Zeiten der Coronavirus-Pandemie ein Plenum mit herausragenden Gastrednern. „Nobelpreisträger Professor Harald zur Hausen bringt uns neue Erkenntnisse in der Behandlung von Prostata-, Colon- und Mammakarzinom und Professor Peter Kremsner, Leiter der klinischen Studien für das Curevac-Vakzin, wird die Entstehung eines mRNA-basierten COVID-19-Impfstoffes aus eigener Erfahrung beleuchten“, sagt DGU-Präsident Stenzl, der mit einer organisatorischen Fahrplanänderung im traditionellen Kongressablauf überrascht und den 15. September 2021, an dem die 73. Jahrestagung der Fachgesellschaft ihre Türen im Internationalen Congresscentrum Stuttgart (ICS) Fachbesuchern aus aller Welt öffnet, definitiv zu einem vollwertigen Kongresstag erklärt. „Dem Wunsch der Teilnehmerinnen und Teilnehmer vergangener Jahre entsprechend wird der Mittwoch ein vollwertiger Kongresstag, an dem am Nachmittag auch das Eröffnungsplenum stattfindet.“
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