Klimaschutzmaßnahmen im Verkehr: Sozialer Ausgleich kommt zu kurz
„Das Versprechen einer fairen Verkehrswende ist noch lange nicht eingelöst“, sagt Christian Hochfeld, Direktor von Agora Verkehrswende. „Das über Jahrzehnte im Verkehrssektor gewachsene System aus Steuern und Subventionen setzt falsche Anreize und verschärft soziale Ungleichheit. Die jüngst eingeführten Maßnahmen zur Weiterentwicklung greifen zu kurz und schaffen keinen nachhaltigen sozialen Ausgleich. Der CO2-Preis müsste deutlich stärker angehoben werden. Bei der Rückverteilung der Einnahmen sollten Instrumente im Vordergrund stehen, die unabhängig von der Einkommenshöhe wirken, zum Beispiel eine Pro-Kopf-Klimaprämie und statt der Entfernungspauschale ein Mobilitätsgeld, das direkt von der Steuerschuld abgezogen wird. Das wäre besser für den Klimaschutz und für die soziale Gerechtigkeit.“
Gut verdienende Pendlerinnen und Pendler im Vorteil
Derzeit fließen die Einnahmen aus dem CO2-Preis auf fossile Kraft- und Brennstoffe vor allem in die Stabilisierung der Umlage für Strom aus Erneuerbare-Energien-Anlagen. Davon profitieren laut Analyse von Agora Verkehrswende einkommensschwache Haushalte im Durchschnitt und relativ zu ihrem Gesamteinkommen mehr als einkommensstarke. Im Jahr 2021 führe die Senkung der EEG-Umlage im Zehntel mit dem geringsten Einkommen zu einem Plus von über 0,6 Prozent, im Zehntel mit dem höchsten Einkommen zu einem Plus von gut 0,1 Prozent. Die Rückzahlung über die erhöhte Entfernungspauschale gehe dagegen eher zugunsten der einkommensstarken Haushalte.
Je nach Haushaltszusammensetzung könnten die Veränderungen durch den CO2-Preis und die Rückverteilung der Einnahmen sehr unterschiedlich ausfallen. Dabei gehe es aber im Durchschnitt bislang nur um geringe Beträge. Eine mindestens dreiköpfige Familie mit niedrigem Einkommen käme zum Beispiel unterm Strich auf ein Plus von 17 Euro im Jahr. Der entscheidende Faktor sei hier die Einsparung von 121 Euro bei den Stromkosten. Ein Haushalt ohne Kinder mit hohem Einkommen und mindestens einem Pendler oder einer Pendlerin profitiere mit einem Plus von 10 Euro im Jahr ebenfalls leicht. Den höheren Ausgaben für Kraftstoffe und Heizen stünden in diesem Beispiel Einsparungen bei den Stromkosten von 91 Euro und bei der Entfernungspauschale von 114 Euro gegenüber.
Festhalten an Verbrennerfahrzeugen wird teuer
Von den Änderungen der Kfz-Steuer, der Dienstwagenbesteuerung und der Kaufprämien für Elektrofahrzeuge sind einkommensschwache Haushalte nach Einschätzung von Agora Verkehrswende kaum betroffen, weil sie seltener ein neues Auto kaufen, eher kleine Autos fahren und auch seltener Dienstwagen privat nutzen. Einkommensstarke Haushalte müssten bei Neuwagenkäufen seit diesem Jahr zwar eher höhere Kosten für die Kfz-Steuer einkalkulieren, von durchschnittlich 5 Euro pro Jahr für einen Kleinwagen bis 70 Euro pro Jahr für einen Pkw aus dem oberen Segment, weil sie häufiger ein neues Auto kaufen und dabei auch eher größere Modelle wählen. Andererseits profitierten sie deutlich mehr von der Vergünstigung der Dienstwagenbesteuerung für batterielektrische Fahrzeuge und von der Erhöhung der Kaufprämien. Bei letzteren hat die Bundesregierung den Bundesanteil um bis zu 4.000 Euro für batterieelektrische Fahrzeuge und bis zu 3.000 Euro für Hybridfahrzeuge mit Ladestecker erhöht.
Dank des staatlich geförderten Umstiegs auf Elektrofahrzeuge könnten einkommensstarke Haushalte auch besser ihren Bedarf an fossilen Kraftstoffen reduzieren und damit dem Anstieg der CO2-Preise ausweichen. Ihr Vorteil gegenüber Haushalten, die länger an einem Verbrennerfahrzeug festhalten, würde sich über die Jahre vergrößern.
Die Analyseergebnisse sind zusammengefasst im Faktenblatt „Wie fair sind die Klimaschutzmaßnahmen im Straßenverkehr? Soziale Verteilungseffekte der CO2-Bepreisung sowie der Förderung der Elektromobilität“ und stehen kostenlos zum Herunterladen zur Verfügung unter https://www.agora-verkehrswende.de/veroeffentlichungen/wie-fair-sind-die-klimaschutzmassnahmen-im-strassenverkehr/.
Agora Verkehrswende ist eine gemeinsame Initiative der Stiftung Mercator und der European Climate Foundation.
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