Lagerraum statt Notfalltransporte
400 Meter Stahl reichten, um Teile des Welthandels zu stoppen. Beinahe eine Woche hatte der querstehende Riesenfrachter „Ever Given“ den Suezkanal, die wichtigste Handelsstraße für Europas Warenverkehr, blockiert. Zehn bis zwölf Prozent des Welthandels werden über den Suezkanal abgewickelt, 19.000 Containerschiffe, Massengutfrachter und Tanker pro Jahr nehmen die Wasserstraße in Ägypten. Viele davon haben Deutschland als Ziel oder als Ausgangsort. Autoteile, Chemiewaren, Fernsehgeräte, Smartphones, Gartenmöbel: Der Suezkanal ist die wichtigste Frachtverbindung zwischen Europa und Asien.
Einige Reedereien entschieden, dass ihre Schiffe die Blockade über das Kap der Guten Hoffnung umfahren sollten. „Der Weg um Südafrika dauert je nach Geschwindigkeit sechs bis zehn Tage länger“, sagte Reederverbands-Sprecher Christian Denso dem Manager Magazin. „Teurer ist er nicht unbedingt, denn die Reedereien sparen die hohe Gebühr, die bei der Passage des Suezkanals anfällt.“ Diese Strecke komme aber für Schiffe, die bereits im Stau standen, eher weniger infrage, weil diese dafür wieder ein Stück zurückfahren müssten.
Schon im vergangenen Jahr war die Liste der Fabrikstopps lang. Das Just-in-Time-Konzept hat die Logistik revolutioniert. Weil die nötigen Teile erst dann an der Fabrik eintreffen, wenn sie benötigt werden, wird kaum Lagerplatz gebraucht. Mittlerweile investieren Unternehmen wieder in mehr Lagerraum statt teure Notfalltransporte. Denn derzeit kämpfen Hersteller auf der ganzen Welt, um mit der steigenden Nachfrage Schritt zu halten. Die von IHS Markit erhobenen Einkaufsmanagerindizes (EMI) – eine gewichtete Summe der Messwerte für Neuaufträge, Produktion, Beschäftigung, Lieferzeiten und Vormateriallager – lagen im März in allen wichtigen Ländern über der Expansionsschwelle von 50 Punkten. Die Analysten berichten, dass das weltweite Produktionswachstum sich im März auf eine der höchsten Raten der vergangenen zehn Jahre beschleunigt habe.
Weltweites Produktionswachstum beschleunigt sich
Die Firmen erhalten wieder mehr Bestellungen und trotz dritter Coronawelle blickt die Industrie optimistisch in die Zukunft. Die größte Industrieschau der Welt, die Hannover Messe läuft wegen der anhaltend angespannten Coronalage dieses Jahr rein digital ab. Mehr als 1800 Aussteller sind dabei, Bundeskanzlerin Angela Merkel sagte zur Eröffnung, die weitere Wirtschaftsentwicklung hänge entscheidend davon ab, inwieweit die Ausbreitung des Virus rasch unter Kontrolle gebracht werden könne. Dabei rechnen die deutschen Kernbranchen Maschinenbau und Elektrotechnik schon dieses Jahr mit neuer wirtschaftlicher Stärke. Realistisch sei für die Produktion „ein kräftiges Plus von acht Prozent gegenüber dem Vorjahr“, sagte BDI-Präsident Siegfried Russwurm. Der Zentralverband Elektrotechnik- und Elektronikindustrie (ZVEI) prognostiziert ein Produktionsplus von fünf Prozent.
Gleichzeitig sorgen sich einige Unternehmen um Probleme in der Lieferkette: Es gebe Engpässe bei der Beschaffung von Vorleistungen, sagte ZVEI-Präsident Gunther Kegel. Lieferschwierigkeiten gebe es unter anderem bei Mikrochips, Kunststoffen, Stahl und Kupfer. „Knappe Transportkapazitäten führen zu deutlich höheren Kosten bei gleichzeitig längeren Lieferzeiten.“
Sowohl die Industrie als auch die Bundeskanzlerin setzen zur Eindämmung der Corona-Infektionen auf Impfungen und Tests. „Wir müssen sagen, dass diese dritte Welle für uns vielleicht die härteste ist“, sagte die Regierungschefin. Eine Testpflicht allerdings lehnt die Wirtschaft vehement ab. Eine staatliche Vorgabe berge die Gefahr, dass sie das freiwillige Engagement der Unternehmen erschwere, heißt es in einem Brief der Spitzenverbände der deutschen Wirtschaft an das Bundeskanzleramt. Stattdessen solle die Regierung Selbsttests für wenig Geld zur Verfügung stellen.
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