»Pestizidprozess« gegen oekom-Autor Alexander Schiebel beginnt am 28. Mai – neues Buch in Planung
Bereits im September 2020 hatte Arnold Schuler die Rücknahme aller Anzeigen angekündigt, die zu einem vorzeitigen Ende aller Verfahren geführt hätte. Laut aktueller Medienberichte wurde dies jedoch bis dato nicht eingehalten, da nicht alle benötigten Vollmachten der mitklagenden Obstbäuer*innen zusammengetragen werden konnten.
Die Vorwürfe, gegen die sich Alexander Schiebel zusammen mit seinem vertretenden Rechtsanwalt Nicola Canestrini in Bozen verteidigen muss, beziehen sich auf einige Textpassagen in seinem Buch »Das Wunder von Mals«. Doch wird er Ende Mai nicht nur als Angeklagter, sondern auch als Berichterstatter im Gerichtssaal sitzen. So arbeitet er schon jetzt an einem Buch und Film über die Hintergründe des Falles. »Ich möchte darin den Prozess selbst dokumentieren, die Mechanismen dahinter aufzeigen und vor allem Zeugen zu Wort kommen lassen, die auf die Gefahr des Einsatzes synthetischer Pestizide aufmerksam machen«, erklärt er. Zugleich thematisiere sein neues Projekt auch ein gesellschaftliches Problem: »Kritiker werden heute oft mit teuren Prozessen mundtot gemacht, und zwar von mächtigen Lobbys, die in solchen Willkürprozessen auch ein Mittel der Abschreckung sehen.«
Als Prozessbeobachter*innen für den 28. Mai haben sich laut dem Münchner Umweltinstitut Sarah Wiener (Mitglied des Europäischen Parlaments), Hanspeter Staffler (Mitglied des Südtiroler Landtags), Claudia Köhler (Mitglied des Bayerischen Landtags), Rosi Steinberger (Mitglied des Bayerischen Landtags und Vorsitzende im Ausschuss für Umwelt- und Verbraucherschutz) und Margarete Bause (Mitglied des Deutschen Bundestages und Sprecherin für Menschenrechte der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen) angekündigt.
Hintergrund
Im September 2017 stellte Arnold Schuler, der damalige stellvertretende Südtiroler Landeshauptmann und Landesrat für Landwirtschaft, Strafanzeigen gegen Buchautor Alexander Schiebel, dessen Verleger Jacob Radloff und einige Mitarbeiter*innen des Umweltinstituts München. Stein des Anstoßes war ihre Kritik am massiven Pestizideinsatz, der in den Südtiroler Obstplantagen allgegenwärtig ist. Mehr als 1.300 Landwirt*innen schlossen sich den Anzeigen an.
Aus Sicht der Betroffenen sind die Anzeigen und Klagen ein Angriff auf die Meinungsfreiheit. Sie reihen sich ein in eine in ganz Europa immer häufiger angewendete Strategie, Aktivist*innen und kritische Journalist*innen in ihrer Arbeit zu behindern oder einzuschüchtern. Dunja Mijatović, die Kommissarin für Menschenrechte des Europarats, führte den Südtiroler Pestizidprozess als Beispiel sogenannter SLAPP-Klagen an, mit denen Kritiker*innen mundtot gemacht werden sollen. Sie forderte die Justiz im Oktober 2020 öffentlich auf, dagegen aktiv zu werden.
Die Ermittlungen gegen Jacob Radloff und einige Vorstände des Umweltinstituts wurden am 28. Oktober 2020 aus Mangel an Beweisen eingestellt. Nach mehreren Vertagungen kommt es am 28. Mai 2021 zur Weiterführung des Prozesses gegen die beiden letzten Angeklagten Alexander Schiebel und Karl Bär. Beiden drohen bei einer Niederlage nicht nur eine Haft- und Geldstrafe, sondern auch mögliche Schadensersatzforderungen in Zivilverfahren und damit der finanzielle Ruin.
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