„Verschickungskinder“: LVR-Landesjugendamt Rheinland untersucht eigene Rolle
– Vermehrte Hinweise auf massive Würdeverletzungen bei untergebrachten Kindern und Jugendlichen
– Gutachten: Keine Hinweise in LVR-Akten auf Aufsichtsfunktion der Landesjugendämter
– LVR hatte organisatorische Rolle inne
– Anhörung im NRW-Landtag am 7. Juni
Der Landschaftsverband Rheinland (LVR) hat in einem Gutachten die Rolle des LVR-Landesjugendamtes Rheinland beim Thema „Verschickungskinder“ untersuchen lassen. In den letzten Jahren mehrten sich Hinweise darauf, dass Kinder und Jugendliche in den fünfziger und sechziger Jahren während oft mehrwöchiger Aufenthalte in Kurheimen massiven Verletzungen ihrer Würde ausgesetzt waren. Auch den LVR erreichten Berichte einzelner Menschen, die während einer Kinderkur Leid erfahren haben. Immer wieder wurde in diesen Berichten auch das Landesjugendamt Rheinland erwähnt.
„Durch unsere Beratungsangebote für ehemalige Heimkinder sowie Menschen, die in der Psychiatrie oder Behindertenhilfe Gewalt ausgesetzt waren, wissen wir, dass es auch in den Kinderkurheimen der fünfziger und sechziger Jahre ‚schwarze Pädagogik‘ gab. Uns war es wichtig, schnell Erkenntnisse über unsere Rolle als Landesjugendamt zu gewinnen, deshalb haben wir ein Gutachten durch einen Historiker erstellen lassen“, sagt LVR-Direktorin Ulrike Lubek.
Eine zentrale Erkenntnis des Gutachtens: Der LVR war weder Betreiber noch Träger von Kinderkuranstalten. Außerdem liegen in den Akten des LVR-Archivs keine Anhaltspunkte dafür vor, dass die Kurheime der Aufsicht des LVR unterlagen. Die Landesjugendämter waren jedoch koordinierend bei den Kinderkurverschickungen tätig und stellten bis 1968 finanzielle Mittel zur Verfügung, so ein weiteres Ergebnis des Gutachtens. Die Ausgleichsstelle des Landesjugendamtes übernahm die Koordination der Kindererholungsreisen für die Entsendestellen der Kommunen und stimmte sich mit den Kurheimen ab. Außerdem übernahm die Kinderfahrtmeldestelle im Rahmen der Durchführung der Kurheilfürsorge die Koordination der Fahrten zumeist in Sonderzügen der deutschen Bahn zu den Zielorten der Kinderkureinrichtungen. Aufgaben über diese Koordination hinaus sind nicht bekannt.
„Die landes- und bundesweite Aufarbeitung des Themenkomplexes der ‚Verschickungskinder‘ steht noch am Anfang und wird sicher noch Zeit in Anspruch nehmen. Der LVR unterstützt selbstverständlich alle Bemühungen um Aufklärung. Außerdem steht unsere LVR-Anlauf- und Beratungsstelle auch in Zukunft betroffenen Menschen mit Rat und Tat zur Seite. Erste Kontakte zu Selbsthilfegruppen und Vereinen bestehen bereits und wir werden unsere langjährige Erfahrung bestmöglich einbringen, um zur Linderung des Leids beizutragen“, so Ulrike Lubek weiter.
Das Leid der „Verschickungskinder“ ist auch Gegenstand einer Anhörung im NRW-Landtag am 7. Juni. LVR-Kinder- und Jugenddezernent Lorenz Bahr wird hier Erkenntnisse aus dem aktuellen LVR-Gutachten übermitteln.
Der Landschaftsverband Rheinland (LVR) arbeitet als Kommunalverband mit rund 20.000 Beschäftigten für die 9,7 Millionen Menschen im Rheinland. Mit seinen 41 Schulen, zehn Kliniken, 20 Museen und Kultureinrichtungen, vier Jugendhilfeeinrichtungen, dem Landesjugendamt sowie dem Verbund Heilpädagogischer Hilfen erfüllt er Aufgaben, die rheinlandweit wahrgenommen werden. Der LVR ist Deutschlands größter Leistungsträger für Menschen mit Behinderungen und engagiert sich für Inklusion in allen Lebensbereichen. "Qualität für Menschen" ist sein Leitgedanke.
Die 13 kreisfreien Städte und die zwölf Kreise im Rheinland sowie die StädteRegion Aachen sind die Mitgliedskörperschaften des LVR. In der Landschaftsversammlung Rheinland gestalten gewählte Mitglieder aus den rheinischen Kommunen die Arbeit des Verbandes.
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