Finanzen / Bilanzen

„Erste Zinswende-Signale?!“ – der aktuelle Neuwirth Finance Zins-Kommentar

Nahezu wöchentlich wird über die anziehenden Preise diskutiert und philosophiert. Im Fokus steht vor allem ein potentieller Zinsanstieg und ein damit einhergehender Abschwung am Aktienmarkt. Mitte Juni tagte sowohl die Europäische Zentralbank (EZB), als auch das amerikanische Äquivalent (Fed), um über eine mögliche Neuausrichtung der Geldpolitik zu entscheiden. Senden die Zentralbanken bereits erste Signale einer bevorstehenden Zinswende? Gehen Sie in der heutigen Ausgabe des Zinskommentars genau dieser Frage nach.

Markt-Monitoring und Ausblick

Kurzfristiger Zins: Der 3-Monats-Euribor verharrt seit Dezember zwischen – 0,57% und – 0,53% und steht aktuell bei – 0,544%. Bis Mitte 2021 erwarten wir einen Seitwärtsverlauf zwischen – 0,50% und – 0,60%. Dieser orientiert sich an der Einlagenfazilität der EZB.

Langfristiger Zins: Der 10jährige SWAP-Satz/3M steht derzeit bei  0,04%. Mit Sicht auf die nächsten 6-12 Monate rechnen wir mit steigenden Kapitalmarktzinsen. Ob es sich um eine echte Zinstrendwende handelt, oder nur um einen Zinsbuckel wie in 2011, beantworten wir Ihnen gerne in einem persönlichen Gespräch.

Erste Zinswende-Signale?!

Zunächst traf sich der EZB-Rat unter der Führung von Christine Lagarde am 10. Juni in Frankfurt. Aus der Zusammenkunft ergaben sich jedoch keine geldpolitischen Änderungen. Der Leitzins bleibt bei null und das im letzten Jahr ins Leben gerufene Pandemie-Notprogramm (PEPP) über 1,85 Billionen Euro läuft weiter bis mindestens März 2022. Ebenso werden weiterhin monatlich Anleihen in Höhe von 20 Milliarden im Rahmen des regulären Anleihekaufprogrammes (APP) erworben. Das Ende des APPs steht noch offen und läuft solange wie es für notwendig erachtet wird. Die jüngsten Verteuerungen erklärt die EZB anhand von Basiseffekten, vorrübergehenden Faktoren und einem Anstieg der Energiepreise. Auch wenn für die zweite Jahreshälfte weitere Preissteigerungen erwartet werden, ging die EZB zuletzt davon aus, dass die Inflation 1,9% im Jahr 2021, 1,5% im Jahr 2022 und 1,4% im Jahr 2023 betragen wird. Damit prognostiziert die EZB keine nachhaltige Annäherung an das Inflationsziel von 2%, was die Wahrscheinlichkeit einer Zinswende bis Ende 2023 senkt. Als Grund dafür sieht die EZB eine weiterhin bestehende Unterauslastung der Wirtschaft. Dennoch lässt sich festhalten, dass die EZB den Inflationsdruck bisher unterschätzt hat, da die Inflationsprognose für das Jahr 2021 im März noch 1,5% betrug und im Juni bei 1,9% stand.

Die Fed tagte 6 Tage nach der EZB und nahm auch kleine Änderungen der geldpolitischen Ausrichtung vor. Der Zinskorridor bleibt bei 0 bis 0,25% und das Anleihekaufprogramm über monatlich 80 Milliarden Dollar wird fortgesetzt. Der Zinssatz auf Überschussreserven der Banken wurde von der Fed von 0,10 auf 0,15 Prozent angehoben, der Secured Overnight Financing Rate von 0,01 auf 0,05 Prozent. Die effektiv gehandelten Fed Funds Rate zeigen, dass diese sich von 0,06 Prozent in den Bereich von 0,10 bis 0,12 Prozent nach oben bewegt haben. Um den Geldmarktfonds mehr Spielraum zu bieten, möchte die Fed die Raten von der Null-Linie wegbewegen. Der strengere Kurs der Fed setzt ein Signal für eine mögliche QE-Reduzierung.

Genauso wie die EZB führt die Fed die jüngsten Anstiege der Inflation auf kurzfristige Effekte zurück und sieht mittelfristig eine Annäherung an das Inflationsziel von 2%. Dennoch hat auch die Fed ihre Prognosen anpassen müssen. Im März erwartete die Fed noch eine durchschnittliche Teuerungsrate von 2,4% für das Jahr 2021, wohingegen im Juni die Prognose auf 3,4% anstieg.

Die Pandemie ist noch nicht überstanden und noch immer bestehen große Unsicherheiten. Insbesondere neuaufkommende Virusvarianten verhindern eine vollständige Normalisierung über alle Ländergrenzen hinweg. In Zeiten einer globalisierten und vernetzten Welt genügt es einfach nicht, wenn nur Industrienationen Herdenimmunität erreichen. Die Zentralbanken werden der Inflation weiteren Spielraum lassen, solange kein Risiko einer Hyperinflation durch das Horten von Gütern besteht. Zudem versuchen sowohl die EZB als auch die Fed durch Forward Guidance die Inflationserwartungen etwas zu trüben. Bestätigt sich die Annahme einer von kurzfristigen Effekten getriebenen Inflation, ist in der Eurozone mit keiner Zinswende vor 2024 zu rechnen.

Aktuelle Zinssätze:
Euribor-Rates
Swapsätze und Pfandbriefrenditen
10j. Staatsanleihen Euro versus 3-Monats-Euribor

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