Wasserstoff: Klasse statt Masse
Nach Auffassung des Sachverständigenrates für Umweltfragen (SRU) drohen falsche Weichenstellungen: Derzeit wird diskutiert, massiv in Wasserstoff aus fossilen Brennstoffen zu investieren. Die Herstellung verursacht jedoch signifikante Treibhausgasemissionen – auch wenn Wasserstoff aus Erdgas in Kombination mit einer CO2-Abscheidung und Speicherung (CCS) hergestellt wird. Bei der CO2-Speicherung bestehen zudem Umwelt- und Gesundheitsrisiken. „Damit würde in Technologien und Infrastrukturen investiert, die in einer treibhausgasfreien und umweltfreundlichen Wirtschaft keinen Platz mehr haben“, sagt Prof. Claudia Kemfert. „Statt teurer Brückentechnologien brauchen wir Investitionen in die Zukunft.“
Eine zweite Fehlentwicklung droht bei der Nutzung von Wasserstoff: Nicht überall, wo grüner Wasserstoff und synthetische Energieträger eingesetzt werden könnten, ist dies ökonomisch und ökologisch sinnvoll. Wenn grüner Strom direkt genutzt werden kann – wie durch das E-Auto im Straßenverkehr oder die Wärmepumpe in der Wärmeversorgung –, ist das in der Regel preiswerter und umweltfreundlicher. Sinnvoll ist es, den Wasserstoff in Teilen der Industrie sowie im internationalen Schiffs- und Flugverkehr einzusetzen. In diesen Bereichen spielen Wasserstoff und synthetische Energieträger nach derzeitigem Wissensstand eine wichtige Rolle, um die Klimaziele zu erreichen.
Ein Zertifizierungssystem mit anspruchsvollen Nachhaltigkeitskriterien ist notwendig, damit die Herstellung von grünem Wasserstoff keine Umweltprobleme wie Flächen- oder Wasserknappheit verschärft. Das gilt insbesondere für Importe. Bevor grüner Wasserstoff in großen Mengen importiert wird, sollten die inländischen Potenziale genutzt werden. Dazu müssten zunächst die Wind- und Sonnenenergie in Deutschland massiv ausgebaut werden. „Beim Import muss sichergestellt werden, dass in den Herkunftsländern keine sozialen, ökologischen oder gesundheitlichen Probleme durch die Wasserstoffherstellung verschärft werden“, sagt Prof. Claudia Hornberg. „Der hohe Wasserverbrauch kann vor allem in trockenen Regionen gravierende Auswirkungen haben.“
Die Infrastrukturen von Wasserstoff, Erdgas und Strom sollten integriert geplant werden. Grundlage dafür müssen die Klimaziele sein. In der nächsten Legislaturperiode sollten Ausstiegspfade für Erdgas und Erdöl festgeschrieben werden, um Fehlinvestitionen in fossile Technologien zu vermeiden und die notwendige Transformation in allen Sektoren einzuleiten.
Der Sachverständigenrat für Umweltfragen (SRU) berät die Bundesregierung seit fast 50 Jahren in Fragen der Umweltpolitik. Die Zusammensetzung des Rates aus sieben Professorinnen und Professoren verschiedener Fachdisziplinen gewährleistet eine wissenschaftlich unabhängige und umfassende Begutachtung, sowohl aus naturwissenschaftlich-technischer als auch aus sozialwissenschaftlicher Perspektive.
Dem Sachverständigenrat gehören aktuell an:
Prof. Dr. Claudia Hornberg (Vorsitzende), Universität Bielefeld
Prof. Dr. Claudia Kemfert (stellvertretende Vorsitzende), Leuphana Universität
Lüneburg und Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung Berlin
Prof. Dr.-Ing. Christina Dornack, Technische Universität Dresden
Prof. Dr. Wolfgang Köck, Universität Leipzig und Helmholtz-Zentrum für
Umweltforschung – UFZ
Prof. Dr. Wolfgang Lucht, Humboldt-Universität zu Berlin und
Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung
Prof. Dr. Josef Settele, Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg und
Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung – UFZ
Prof. Dr. Annette Elisabeth Töller, FernUniversität in Hagen
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