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Wer könnte von welcher Regierungsbeteiligung profitieren

Die Parteien zur Bundestagswahl unterscheiden sich erheblich bei der finanziellen Wirkung ihrer Politikvorschläge auf Geringverdiener und höhere Einkommen. Die vorgeschlagenen Steuerentlastungen von FDP und Unionsparteien entlasten die höheren Einkommensklassen deutlich, während die Programme von SPD, Linke und Grünen besonders für untere und mittlere Einkommen einen Zuwachs beim verfügbaren Einkommen aus Netto-Lohn und Sozialtransfers bedeuten. Zu diesem Ergebnis kommt ein Wissenschaftsteam des ZEW Mannheim, das die Auswirkungen zentraler Reformvorschläge zu Steuern-, Mindestlohn, Mini- und Midi-Jobs, Sozialversicherung und Familienpolitik, auf private Haushalte für die Süddeutsche Zeitung untersucht hat. Dabei wurden die Wahlprogramme der Parteien berechnet, die für eine Regierungsbeteiligung am ehesten infrage kommen. Waren die Vorschläge in den Programmen zu unkonkret, trafen die Forscher plausible Annahmen etwa auf Basis von Beschlüssen und Äußerungen der Parteien, um die intendierten Wirkungen der Vorschläge nicht zu ignorieren. Das Simulationsmodell nutzte Daten des Sozio-Ökonomischen Panel (SOEP). SPD, Grüne und Linke wollen Geringverdienern ein Plus bescheren

Würden die Wahlprogramme von SPD, Grüne und Linke jeweils umgesetzt, so wäre ein Ehepaar mit zwei Kindern in den unteren Einkommensschichten deutlich besser gestellt. Diesem stünden bei einem Brutto-Einkommen von 40.000 Euro jährlich rund 3.300, 4.000 oder sogar 5.100 Euro mehr zur Verfügung, bei FDP und Union nur rund 900 Euro. „SPD, Grüne und Linke entlasten untere und mittlere Einkommen und finanzieren dies über höhere Steuern für Spitzenverdiener“, erklärt ZEW-Wissenschaftler Dr.  Florian Buhlmann. Anstelle von Umverteilung planen Unionsparteien und FDP alle Haushalte zu entlasten, jedoch Haushalte mit hohem Einkommen stärker. Ein Ehepaar mit zwei Kindern erhielte bei einem beispielhaften Brutto-Einkommen von 300.000 Euro demnach ein finanzielles Plus von 11.000 bis 18.000 Euro. Wohingegen der gleiche Haushalt bei SPD, Grünen und Linken weniger Geld zur Verfügung hätte.

FDP will Spitzenverdiener am stärksten entlasten

Betrachtet man die relativen Zuwächse, die sich aus den Wahlprogrammen ergeben, über verschiedene Einkommensklassen der Haushalte im SOEP, so zeigt sich ein ähnliches Bild. Den größten relativen Zuwachs beim verfügbaren jährlichen Durchschnittseinkommen bringt die Linke mit rund 10,8 Prozent Haushalten mit 10.001 bis 20.000 Euro brutto. Die FDP hingegen plant, Haushalte mit 150.001 bis 250.000 Euro brutto am stärksten zu entlasten (9,7 Prozent mehr an verfügbarem Einkommen).
 Die Steuerpläne sowie sozial- und familienpolitischen Vorschläge der Parteien für die nächste Legislaturperiode wirken sich unmittelbar auf die Maße für Ungleichheit aus, wie die Wissenschaftler zeigen konnten. So würde der sogenannte Gini-Koeffizient bei Umsetzung des Programms der Linken mit -15 Prozent im Vergleich zum Status quo am deutlichsten sinken, gefolgt von Grünen mit -6,5 Prozent und SPD mit -4,3 Prozent. Würden jedoch die berechneten Vorschläge der FDP mit umgesetzt, stiege das Maß für Ungleichheit um 3,2 Prozent, bei den Unionsparteien um 1,6 Prozent. „Wir beobachten bei der Verteilungspolitik einen Lagerwahlkampf“, sagt Prof.  Dr.  Sebastian Siegloch, Leiter des Forschungsbereichs „Soziale Sicherung und Verteilung“. „Die Parteien haben sich eindeutig entschieden, wo sie bei der Verteilungspolitik stehen.“

Parteien denken zuerst an die Wähler der anderen

Die Wahlklientel der Parteien profitiert in barer Münze sehr unterschiedlich vom jeweiligen Programm, vergleicht man die SOEP-Daten zum Wahlverhalten im Jahr 2017 mit den aktuellen Programmen. So entlastet die FDP Wähler/innen der Grünen mit durchschnittlich 6,2 Prozent am stärksten und die eigene Klientel mit 5,9 Prozent erst an zweiter Stelle. Die Grünen hingegen stellen ihre Wähler/innen mit 1,1 Prozent Zuwachs des durchschnittlich verfügbaren Einkommens auf die vierte Position. Dagegen profitieren AfD-Wähler/innen mit 2,9 Prozent bei ihnen am stärksten, ebenso bei SPD (2,75 Prozent) und Linke (6,94 Prozent).

Was das für den Staatshaushalt bedeutet

Die Wahlprogramme von FDP und CDU/CSU würden bei ihrer Umsetzung mit -88 Mrd. Euro bzw. -33 Mrd. Euro die größte Lücke in den Staatshaushalt reißen – aufgrund von versprochenen Steuerreduktionen. „Union und FDP setzen implizit darauf, dass Wirtschaftswachstum die schwarze Null rettet“, sagte ZEW-Ökonom Buhlmann. Währenddessen würde der Staatshaushalt einen starken Überschuss von 90 Mrd. Euro bzw. 18 Mrd. Euro aufweisen, wenn die Linke bzw. Bündnis 90/Grünen die hier betrachteten Vorschläge umsetzen könnten. Gründe sind unter anderem eine Vermögenssteuer in Höhe von fünf Prozent bei den Linken bzw. ein Prozent bei den Grünen sowie höhere Spitzensteuersätze bei der Linken bis zu 75 Prozent.

Zur Methode

Die Berechnungen wurden mit Hilfe des Models ZEW-EviSTA (Evaluationsmodell für integrierte Steuer- und Transferpolitik-Analysen) zum Rechtstand 2021 durchgeführt. ZEW-EviSTA nutzt zur Berechnung der fiskalischen Effekte, der Ungleichheitsmaße und den Veränderungen der verfügbaren Jahreseinkommen nach Bruttoeinkommen sowie Parteipräferenzen als Datengrundlage das Sozio-oekonomische Panel (SOEP) v.34. Mögliche Verhaltensanpassungen – etwa bei der Arbeitszeit oder der Steuervermeidung – werden hierbei ausgeklammert.

Über ZEW – Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung GmbH Mannheim

Das ZEW in Mannheim forscht im Bereich der angewandten und politikorientierten Wirtschaftswissenschaften und stellt der nationalen und internationalen Forschung bedeutende Datensätze zur Verfügung. Das Institut unterstützt durch fundierte Beratung Politik, Unternehmen und Verwaltung auf nationaler und europäischer Ebene bei der Bewältigung wirtschaftspolitischer Herausforderungen. Zentrale Forschungsfrage des ZEW ist, wie Märkte und Institutionen gestaltet sein müssen, um eine nachhaltige und effiziente wirtschaftliche Entwicklung der wissensbasierten europäischen Volkswirtschaften zu ermöglichen. Durch gezielten Wissenstransfer und Weiterbildung begleitet das ZEW wirtschaftliche Veränderungsprozesse. Das ZEW wurde 1991 gegründet. Es ist Mitglied der Leibniz-Gemeinschaft. Derzeit arbeiten am ZEW Mannheim rund 200 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, von denen rund zwei Drittel wissenschaftlich tätig sind.

Forschungsfelder des ZEW

Arbeitsmärkte und Personalmanagement; Digitale Ökonomie; Innovationsökonomik und Unternehmensdynamik; Internationale Finanzmärkte und Finanzmanagement; Marktdesign; Soziale Sicherung und Verteilung; Umwelt- und Ressourcenökonomik, Umweltmanagement; Unternehmensbesteuerung und Öffentliche Finanzwirtschaft, Gesundheitsmärkte und Gesundheitspolitik.

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