Neuer Therapieansatz für Herz-Kreislauf-Erkrankungen
„Die aktuell publizierte Arbeit zeigt das Potential, am Biotechnologie-Standort Mainz mit strategischem Einsatz von Forschungsmitteln wichtige Erkenntnisse zu gewinnen, die einen unmittelbaren Vorteil für die Gesundheitsfürsorge der Menschen haben können“, betont Univ.-Prof. Dr. Thomas Münzel, Direktor der Kardiologie I im Zentrum für Kardiologie der Universitätsmedizin Mainz.
Erkrankungen des Herz-Kreislauf-Systems stellen weltweit die häufigste Todesursache dar. Kennzeichnend für diese sogenannten kardiovaskulären Erkrankungen ist eine Funktionsstörung der Blutgefäßinnenhaut (Endotheldysfunktion). Die Wissenschaftler des Zentrums für Kardiologie der Universitätsmedizin Mainz haben entdeckt, dass das Protein Tubulin-folding cofactor E (TBCE) eine entscheidende Rolle bei der Entstehung der Endotheldysfunktion spielt. TBCE gehört zu den Proteinen, die wichtig sind, um den Zellen Struktur und Form zu geben und damit die normale Funktionsweise ermöglichen.
Die Forscher der Universitätsmedizin Mainz konnten zeigen, dass ein Mangel oder eine Mutation des Proteins TBCE zu einer Stressreaktion in der Gefäßwand führt. Betroffen ist dabei das endoplasmatische Retikulum, das innere Netzwerk der Zellen. Der vaskuläre Stress geht unter anderem mit einer Entzündungsreaktion und einer vermehrten Gefäßsteifigkeit einher. Aus Vorstudien war bekannt, dass TUDCA (Tauroursodeoxycholic acid; Tauroursodeoxycholsäure) Stressreaktionen im endoplasmatischen Retikulum unterbinden kann. Im Rahmen der Mainzer Studie verbesserte sich die Endothelfunktion im Tiermodell durch eine gezielte pharmakologische Therapie mit TUDCA, auch wenn das Protein TBCE defekt war.
Das Endothel ist die Innenhaut der Blutgefäße und bespannt wie eine feine Membran aus spezialisierten Zellen das Gefäßbett im ganzen Körper von innen. Es sorgt für die Weit- und Engstellung der Gefäße und damit für einen geregelten Blutfluss im Körper. Störungen des Endothels sind damit der Nährboden für Atherosklerose, Koronare Herzerkrankung, Herzinfarkt und Schlaganfall sowie für Thrombosen und Lungenembolien. Zusätzliche Faktoren wie Rauchen und Bluthochdruck können die endotheliale Dysfunktion verstärken.
Die ersten Hinweise auf den jetzt neu entdeckten Mechanismus zur Regulation der Blutgefäßfunktion ergab die Auswertung von genetischen Daten aus der Gutenberg-Gesundheitsstudie (GHS). In der Studie der Universitätsmedizin Mainz werden seit rund 14 Jahren Daten zu Risikofaktoren von Herz-Kreislauf-Erkrankungen in der Bevölkerung der Rhein-Main-Region gesammelt und zusammen mit molekularbiologischen Messungen erfasst. „Es ist faszinierend zu sehen, dass die GHS in der Lage ist, diese Informationen zu liefern“, berichtet Univ.-Prof. Dr. Philip Wenzel.
„Durch unser experimentelles Know-how war es darüber hinaus möglich, aus den komplexen Daten eine bisher unbekannte Funktionsweise herauszuarbeiten. Unsere Forschungsergebnisse zu TBCE liefern vielversprechende Hinweise, dass dieser Mechanismus medikamentös beeinflusst werden kann, um die Gefäßfunktion bei den betroffenen Patienten zu verbessern. Dies ist insbesondere deshalb von großer Bedeutung, weil die bisherige Therapie der Endotheldysfunktion mit Vitaminen oder Spurenelementen nur unzureichende Erfolge zeigt“, erläutert Professor Wenzel.
Die Studie „Tubulin-folding cofactor E deficiency promotes vascular dysfunction by increased endoplasmic reticulum stress“ wurde durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF), die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) und die Boehringer Ingelheim Stiftung unterstützt.
Originalpublikation:
Efentakis P, Molitor M, Kossmann S, Bochenek ML, Wild J, Lagrange J, Finger S, Jung R, Karbach S, Schäfer K, Schulz A, Wild P, Münzel T, Wenzel P. Tubulin-folding cofactor E deficiency promotes vascular dysfunction by increased endoplasmic reticulum stress. Eur Heart J. 2021 Jun 16:ehab222. Online ahead of print. PMID: 34132336
Die Universitätsmedizin der Johannes Gutenberg-Universität Mainz ist die einzige medizinische Einrichtung der Supramaximalversorgung in Rheinland-Pfalz und ein international anerkannter Wissenschaftsstandort. Sie umfasst mehr als 60 Kliniken, Institute und Abteilungen, die fächerübergreifend zusammenarbeiten und jährlich mehr als 350.000 Menschen stationär und ambulant versorgen. Hochspezialisierte Patientenversorgung, Forschung und Lehre bilden in der Universitätsmedizin Mainz eine untrennbare Einheit. 3.400 Studierende der Medizin und Zahnmedizin sowie mehr als 600 Fachkräfte in den verschiedensten Gesundheitsfachberufen, kaufmännischen und technischen Berufen werden hier ausgebildet. Mit rund 8.500 Mitarbeitenden ist die Universitätsmedizin Mainz zudem einer der größten Arbeitgeber der Region und ein wichtiger Wachstums- und Innovationsmotor. Weitere Informationen im Internet unter www.unimedizin-mainz.de
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