Gesundheit & Medizin

Covid-Schnelltests auf dem Prüfstand: Welcher Test kann was?


– Wissenschaftler des Zentrums für Infektiologie am Universitätsklinikum Heidelberg veröffentlichen eine umfassende systematische Analyse in PLOS Medicine und die Ergebnisse aus dem systematischen Screening am UKHD in Clinical Microbiology and Infection 
– Fünf Fragen an Privatdozentin Dr. Claudia Denkinger, Leiterin der Sektion Klinische Tropenmedizin, zu den Forschungsergebnissen und der aktuellen WHO-Leitlinie zum Gebrauch von Schnelltests

Im Laufe der letzten Monate hat sich die Anzahl der kommerziell erhältlichen Antigen-Schnelltests vervielfacht, die zu Covid-Screening-Maßnahmen weltweit herangezogen werden: Derzeit gibt es rund 200 solcher Tests auf dem Markt. Sowohl der testwilligen Bevölkerung als auch den Verantwortlichen von Einrichtungen und Unternehmen stellt sich die Frage, welche Tests ausreichend zuverlässig sind. Antworten gibt das Team um Privatdozentin Dr. Claudia Denkinger, Leiterin der Sektion Klinische Tropenmedizin am Zentrum für Infektiologie am Universitätsklinikum Heidelberg, in einer nun im Fachjournal PLOS Medicine veröffentlichten Analyse von 133 Studien zu insgesamt 61 Tests. 

Frau Dr. Denkinger, über die Zuverlässigkeit der Covid-Schnelltests wurde bereits häufig berichtet, Ihre Ergebnisse wurden zur Planung von Teststrategien und für Empfehlungen z.B. der Weltgesundheitsorganisation WHO herangezogen. Welches sind die wichtigsten Erkenntnisse kurz zusammengefasst?

Wir konnten zeigen, dass viele gute Schnelltests 7 von 10 mit dem SARS-CoV-2 infizierte Personen auch als solche erkennen. Werden die Tests nur bei Personen in der ersten Woche nach Symptombeginn verwendet, steigt diese Quote auf 8 von 10, und bei Personen mit hoher Viruslast, werden im Schnitt sogar 9,5 von 10 identifiziert. Das heißt, dass die Tests sich eignen Personen zu identifizieren, die am wahrscheinlichsten für weitere Übertragungen verantwortlich sind. Außerdem haben wir gezeigt, dass es sehr gute Schnelltests gibt, die nur wenige falsch-positive Ergebnisse produzieren. Zwar sind die labor-basierten PCR-Tests nach wie vor der Goldstandard, aber es gibt Schnelltests, die sich eignen, schnell hoch-infektiöse Personen zu identifizieren, und das nur mit wenigen Fehlern. 

Ergeben sich aus Ihren Erkenntnissen Konsequenzen für zukünftige Teststrategien z.B. im Hinblick auf eine vierte Covid-Welle im Herbst?

Die Ergebnisse aus den Studien unterstützen die Entscheidung des Universitätsklinikums Heidelberg im Spätsommer letzten Jahres auf eine Screening Strategie zu setzten, die PCR und Schnelltests verbindet. Auch diese Ergebnisse haben wir jetzt publiziert. Die Strategie hat es erlaubt, asymptomatische Patienten vor Betreten des Krankenhauses zu testen und schnell ein Ergebnis zu erhalten. Dadurch wurden die normalen Abläufe der Versorgung im Krankenhaus nicht gestört und die Übertragung der Infektion auf Hoch-Risiko Patienten verhindert.

Diese Erfahrungen sind relevant für andere Krankenhäuser und zum Beispiel auch Pflegeheime, denn die vierte Welle wird kommen und wir müssen vor allem die vulnerablen Personen, bei denen die Impfung nicht ausreichen wirkt, schützten. Zusätzlich zeigt die Tatsache, dass wir beim Screening von etwa 50,000 Personen nur sehr wenig falsch-positive Resultate hatten, auch, dass das Screening größerer Bevölkerungsgruppen mit niedriger Durchseuchung möglich ist. Dies ist z.B. für Schulen und Betriebe relevant. 

In einer Zeit, in der das Testen vielerorts bereits zur Routine gehört: Für wen haben die nun publizierten Ergebnisse einen praktischen Nutzen?

Unsere Evidenzanalyse zeigt, dass es eine hohe Variabilität zwischen den Tests gibt, die sich nicht in den Angaben der Hersteller widerspiegelt, sondern nur in unabhängigen Studien. Deshalb ist die Auswahl des Tests entscheidend. Zwar hat das Paul-Ehrlich-Institut mittlerweile eine geprüfte Liste von Tests publiziert, aber die Prüfung bezieht sich nur auf die Eignung zur Erfassung von Infektionen, nicht auf die Problematik mit Falsch Positiven, die für das Screening in Gruppen mit geringer Durchseuchung mindestens genauso wichtig ist.

Wir haben unsere Evidenzanalyse mit einer Website verknüpft, auf der wir die für jeden Schnelltest verfügbaren Ergebnisse unabhängiger Evaluierungen zusammenfassen und wöchentlich aktualisieren (www.diagnosticsglobalhealth.org). Dadurch hoffen wir, Entscheidungsträgern im Gesundheitssystem aber auch privaten Personen bei der Auswahl der bestmöglichen Tests zu helfen. 

Die Ergebnisse der Analyse sind in die WHO-Leitlinie zum Einsatz der Schnelltests, an deren aktueller Überarbeitung Sie beteiligt sind, eingeflossen. Inwiefern?

Unsere Studien und Evidenzsynthese teilen wir bereits seit Mitte letzten Jahres mit der WHO. Die Ergebnisse haben unter anderem zu einer Notfallzulassung von vier Tests durch die WHO geführt. Das ist insofern wichtig, weil ein von der WHO unter „emergency use listing" geführter Test von Ressourcen-schwachen Ländern über Gelder des Globalen Fonds bezogen werden kann und somit die Bekämpfung der Pandemie in diesen Ländern unterstützt. Außerdem haben die Ergebnisse auch zu einer Aktualisierung der Leitlinie geführt, die im Juli 2021 in einem Expertengremium, zu dem ich geladen war, besprochen wurde. Vor allem das Screening asymptomatischer Personen wurde hier anhand der neuen Datenlage positiv bewertet, muss aber gerade in Ressourcen-schwachen Ländern auch vor dem Hintergrund der Ressourcenknappheit beurteilt werden. 

Was behandelt die WHO-Leitlinie und an wen richtet sie sich?

Die WHO Leitlinie bewertet den aktuellen Wissensstand zu SARS-CoV-2 Schnelltests weitestmöglich systematisch und entwickelt darauf basierend Empfehlungen für ihre Verwendung. Hierzu zählen z.B. die Definition von Anforderungen, die ein „guter" Schnelltests erfüllen sollte, in welchen Szenarien die Tests am besten verwendet werden können, oder auch die Auswirkungen der Lagerbedingungen auf die Testgenauigkeit. Grundsätzlich kann die Leitlinie weltweit angewandt werden, richtet sich aber besonders an Ressourcen-schwache Länder mit niedrigem und mittlerem Einkommen. 

Weitere Informationen
https://www.klinikum.uni-heidelberg.de/diagnostics-global-health 

Literatur

Bruemmer et al., PLOS Medicine 2021 (https://doi.org/10.1371/journal.pmed.1003735)
Wachinger et al., Clin Microbiol Infect 2021 (https://doi.org/10.1016/j.cmi.2021.07.020)

Über Universitätsklinikum Heidelberg

Das Universitätsklinikum Heidelberg ist eines der bedeutendsten medizinischen Zentren in Deutschland; die Medizinische Fakultät Heidelberg der Universität Heidelberg zählt zu den international renommierten biomedizinischen Forschungseinrichtungen in Europa. Gemeinsames Ziel ist die Entwicklung innovativer Diagnostik und Therapien sowie ihre rasche Umsetzung für den Patienten. Klinikum und Fakultät beschäftigen rund 13.700 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und engagieren sich in Ausbildung und Qualifizierung. In mehr als 50 klinischen Fachabteilungen mit fast 2.000 Betten werden jährlich circa 80.000 Patienten voll- und teilstationär und mehr als 1.000.000 mal Patienten ambulant behandelt. Gemeinsam mit dem Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) und der Deutschen Krebshilfe hat das Universitätsklinikum Heidelberg das Nationale Centrum für Tumorerkrankungen (NCT) Heidelberg etabliert, das führende onkologische Spitzenzentrum in Deutschland. Zudem betreibt das Universitätsklinikum Heidelberg gemeinsam mit dem DKFZ und der Universität Heidelberg das Hopp-Kindertumorzentrum (KiTZ), ein deutschlandweit einzigartiges Therapie- und Forschungszentrum für onkologische und hämatologische Erkrankungen im Kindes- und Jugendalter. Das Heidelberger Curriculum Medicinale (HeiCuMed) steht an der Spitze der medizinischen Ausbildungsgänge in Deutschland. Derzeit befinden sich an der Medizinischen Fakultät Heidelberg rund 3.500 angehende Ärztinnen und Ärzte in Studium und Promotion.
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