Wie ein Fahrradanbieter Lieferengpässen trotzt
Probleme auch bei europäischen Lieferanten
Ob Schaltgruppe, Bremsen oder Sattel – viele Teile kommen aus Fernost und sind derzeit nicht lieferbar. Aber: „Auch Lieferanten aus den europäischen Nachbarländern sind die Hände gebunden. Sie warten auf Rohmaterial wie Stahl oder Gummi und müssen dafür ebenso auf den Weltmarkt zurückgreifen“, berichtet Raik Vollmann, Geschäftsführer des Lastenradanbieters VSC.Bike. Die Lieferschwierigkeiten betreffen zwar alle Komponenten, besonders kritisch sieht es aktuell allerdings bei elektronischen Bauteilen aus. „Hier beträgt die Wartezeit mittlerweile bis zu zwei Jahre. Bei Halbleitern wird gar keine Lieferzeit mehr prognostiziert“, ergänzt Vollmann. Erschwerend kommt hinzu, dass Firmen, die Teile erhalten, sich intensiv mit diesen bevorraten. Die Folge: KundInnen anderer Anbieter warten vergeblich auf ihr Bike. Viele Fahrradhersteller lernen daher gerade neue Wege zu gehen, um wieder liefern zu können.
Alternative Routen bestreiten
Maik Walther, Einkaufsleiter bei VSC.Bike, hat seinen Alltag komplett umorganisiert. Er setzt beim Einkauf mittlerweile auf einen Mix aus Alternativprodukten und vielfältigen Anbietern. Statt einem vergriffenen Originalsattel wird beispielsweise ein anderes Produkt mit einer kürzeren Lieferzeit verbaut. Dadurch kann VSC.Bike nach wie vor die gesamte Sortimentspalette anbieten. Bei der Qualität der zugelieferten Teile macht der Produzent allerdings keine Einschränkungen. „Lastenräder sind noch ein Nischenprodukt, die Kundenanzahl ist überschaubar. Vor diesem Hintergrund besteht nur, wer langfristig ausgezeichnete Qualität liefert“, sagt Maik Walther.
Vorhersagen für zwei Jahre im Voraus
Einen wesentlichen Teil seiner Arbeit verbringt der Einkaufsleiter derzeit damit, das Lieferantennetz umzuorganisieren. Zugute kommen ihm dabei seine mehr als 20 Jahre Berufserfahrung in der Branche. Zwar konnte VSC.Bike bisher bereits auf rund 100 Lieferanten zurückgreifen, dennoch wurde hier noch einmal viel Zeit und Know-how investiert, um alternative Kontakte aufzubauen. Aktiv zu bleiben, ist derzeit existenziell, denn mittlerweile muss VSC.Bike seine Bedarfsprognosen für die nächsten zwei Jahre im Voraus machen. „Wir müssen wissen, welche Teile wir verbauen können und wer diese liefert, damit wir nicht wie beim Blick in die berühmte Glaskugel agieren“, sagt Walther. Auch bei den Angeboten hat VSC.Bike umgestellt. Bisher hatten diese eine Gültigkeit von einem Jahr und sind nun auf vier Monate reduziert worden.
Branche wächst trotz Herausforderungen
Die Fahrradbranche insgesamt führt längst kein Nischen-Dasein mehr, sondern hat eine enorme wirtschaftspolitische Bedeutung. Laut einer gemeinsamen Studie2 des Bundesverbands Zukunft Fahrrad, des Verbunds Service und Fahrrad sowie des Zweirad-Industrie-Verbands generieren in der Fahrradbranche rund 281.000 Beschäftigte mehr als 37,7 Milliarden Euro Umsatz. Zum Vergleich: Die Bahnbranche beschäftigt rund 269.000 Angestellte. Die Studie zeigt ein Wachstum bei der Zahl der Beschäftigten in den Kernbereichen Herstellung, Handel und Dienstleistungen um rund 20 Prozent. Auch nachgelagerte Sektoren wie Infrastruktur, Verwaltung oder Stadt- und Verkehrsplanung profitieren vom Fahrradboom. Ebenso ist der Trend zum Dienstrad ungebremst. Laut Schätzungen von Ronald Bankowsky, Gründer von mein-dienstrad.de, gibt es aktuell rund 500.000 Diensträder in Deutschland – Tendenz steigend.
Seit 2017 produziert die VSC Bike GmbH am Standort in Allstedt Lasten- sowie Zustellräder und beschäftigt derzeit 13 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Im Jahr 2020 schloss sich die VSC Bike GmbH mit der Pendix GmbH, einem E-Motorspezialisten aus Deutschland, zusammen und kann nun sowohl den Rahmenbau als auch den Antriebsbau anbieten. Die Produkte sind optimal aufeinander abgestimmt, da bei der Entwicklung die Rahmen- und Motorkonzeptionen in einem Haus erfolgen. Kunden profitieren von der großen Flexibilität bei der Produktwahl und den schnellen Anpassungen an ihre Bedürfnisse
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