Anne-Klein-Frauenpreis 2022 an Yosra Frawes, Anwältin und Frauenrechtlerin aus Tunis, Tunesien
Yosra Frawes hat in ihrer Heimat Rechtswissenschaften und Wirtschaftsrecht studiert. Für das Studium der Rechtswissenschaften hat sie sich entschieden, um Anwältin der Armen, von schutzbedürftigen und misshandelten Frauen zu werden. Bereits im Jahr 2000, lange vor dem Arabischen Frühling, startete die Juristin eine Petition für die Gleichstellung von Mann und Frau im tunesischen Erbrecht. Das Gesetz 58 zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen wurde auch dank ihrer Mitwirkung im Jahr 2017 als Teil der Nationalen Koalition zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen verabschiedet, ein historischer Erfolg.
In Tunesien wurden die Menschen- und Frauenrechte durch die Verfassung von 2014 gestärkt. Allerdings bestehen erhebliche Lücken bei der Umsetzung der Verfassung in gesetzlich verbriefte Rechte. Die Auseinandersetzungen über eine Reform des Zivil- und Strafrechts finden im Kontext einer eher traditionalistischen Gesellschaftskultur und einer vornehmlich konservativen Justiz statt. Die Machtübernahme durch den Präsidenten Kais Said im Sommer dieses Jahres hat zudem zu einem vorläufigen Ende der Gewaltenteilung geführt, was alle Schritte zur Umsetzung der in der Verfassung verankerten Rechte erschwert.
"Mit der Verleihung des Anne-Klein-Frauenpreises an Yosra Frawes möchten wir die feministischen Bewegungen Tunesiens stärken und ermutigen. Frauen* in der MENA-Region kämpfen seit Jahrzehnten für ihr Rechte, gegen Ausschluss, für Gleichheit auf allen politischen und gesellschaftlichen Ebenen," erklärt die Juryvorsitzende Barbara Unmüßig, Vorstand der Heinrich-Böll-Stiftung. Mit Bezug auf die aktuelle Situation in Tunesien fügt sie hinzu: "Für Yosra Frawes und ihre Mistreiterinnen ist es derzeit vordringlich, bisher Errungenes zu verteidigen. Hier begleitet sie unsere uneingeschränkte Solidarität."
Der Anne-Klein-Frauenpreis ist mit 10.000 € dotiert. Der Preis wird bei einem Festakt am Abend des 11. März 2022 in Berlin überreicht.
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