„Fast 50 Prozent der Veganer und Vegetarier wollen Laborfleisch probieren“ – Kommt unser Weihnachtsbraten bald aus der Retorte?
2013 wurde in London der erste Burger serviert, der als Ergebnis einer künstlichen Gewebezüchtung im Labor entstanden war. Für dieses Verfahren werden einem lebenden Tier muskuläre Stammzellen entnommen und in vitro – lat. „im Glas“ – vermehrt. Die österreichische Food-Trendforscherin Hanni Rützler gehörte zu den Auserwählten, die den Kulturfleisch-Burger probieren durften. Ihr Eindruck? „Knuspriger als erwartet, da war durchaus Biss, und auch die Farbe – erzeugt mit rotem Rübensaft – war nah am Original. Mit Zwiebeln, Mayo und Ketchup hätte man mir das als normales Rindfleischpatty unterjubeln können.“
Die Kosten für die Herstellung des Burgers hatten sich damals auf satte 300.000 Euro summiert, von Massentauglichkeit konnte also noch keine Rede sein. Die Entwicklungen in diesem Bereich verfolgt die Fleischbranche seitdem mit höchster Aufmerksamkeit – und fördert sie sogar durch Investitionen. Naht ein baldiges Ende der konventionellen Tierhaltung? Geflügelexperte Dr. Ingo Stryck verneint: „Die Unternehmen ziehen ja nicht nur Geflügel auf und schlachten es, sondern haben auch riesige Logistikstrukturen, um frisches Fleisch in den Handel zu liefern. Deshalb ist es logisch, sich Möglichkeiten naheliegend am Kerngeschäft zu eröffnen. Aber natürlich glaube ich auch weiterhin an die konventionelle Tierhaltung.“ Was den Herstellungspreis betrifft, so sei es den Firmen gelungen, ihn in den letzten acht Jahren auf unter 100 Euro zu drücken. „Irgendwann werden wir einen marktreifen Preis haben.“
Fast die Hälfte aller Veganer und Vegetarier würden Kulturfleisch probieren
Doch wen hat die Branche als Zielgruppe im Visier? Laura Gertenbach, CEO und Co-Gründerin des Rostocker Laborfleischherstellers „Innocent Meat“, spricht besonders jüngeren Menschen aus der Seele, wenn sie ihre eigene Motivation beschreibt: „Kulturfleisch ist für mich eine Option, wenn es darum geht, beim Klimawandel einen positiven Impact zu erreichen.“ Dabei hat sie zu echtem Fleisch keinerlei Berührungsängste: Sie wuchs in einer Familie von Landwirten auf, besitzt selbst einen Schlachtschein und betreibt nebenher einen Fleischvertrieb. Das Thema Tierwohl spiele eine große Rolle. Für viele Zielgruppen könnte Laborfleisch damit ein weiteres entscheidende Argument liefern. Dr. Ingo Stryck berichtet: „Laut einer aktuellen Studie haben fast 50 Prozent der Veganer und Vegetarier Probierinteresse an Laborfleisch. Wer aus Tierwohlgründen auf Fleisch verzichtet, für den ist das dann eine Alternative.“ Laura Gertenbach sieht weitere Vorteile in der Laborfleischerzeugung, etwa, wenn es um das Stichwort Lebensmittelsicherheit geht, oder bei den Nährwerten, wie beispielsweise Omega-3-Fettsäuren, die künstlich angepasst werden könnten.
Fleischersatzprodukte unterstützen unser Gewohnheitsverhalten
Eine besondere Herausforderung liegt laut Dr. Stryck zurzeit darin, Laborfleisch ohne den Einsatz von Gentechnik herzustellen. „Das Thema ist in Deutschland einfach ein ‚no go‘.“ Hanni Rützler bestätigt eine „kulturelle Ambivalenz“ der Deutschen: „Bei Automobilen ist Technik gewünscht, aber bei Lebensmitteln gibt es da große Kontaktängste.“ Das Thema Laborfleisch müsse man auch „geistig verdauen“. Der Absatz von Fleischersatzprodukten habe sich allerdings gerade in Deutschland in den letzten Jahren rasant entwickelt. „Uns fehlt noch die Fantasie, was wir essen können, wenn wir das Fleisch weglassen.“ Langfristig werde das Fleisch aber seine „pole position auf dem Teller“ verlieren. Dr. Stryck bestätigt: „Eigentlich bräuchten wir die nachgemachten Produkte ja gar nicht, wir könnten auch einen Gemüseauflauf essen. Aber das ist eben Gewohnheitsverhalten.“ Fleischersatzprodukte und Laborfleisch sehe er in diesem Zusammenhang als „eine Art Brückentechnologie.“
Auf viele offene Fragen bei der Kulturfleischherstellung – und ihrer Akzeptanz bei den Verbraucherinnen und Verbrauchern – kann nur die Zukunft eine Antwort geben, darin war sich die Runde einig. Speziell hinsichtlich des Arguments der Nachhaltigkeit: „Im Moment sind es Visionen und Vorstellungen, dass es klimaschützender oder ressourcenschonender erzeugt werden kann“, so Dr. Stryck. „Das ist eine Wette auf die Zukunft, die es zu beweisen gilt. Da sind noch einige Hürden zu nehmen.“
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