„Wie wird Kirche offen für Vielfalt?“
Reaktion der EKKW auf Rechtsextremismus auf dem Gebiet der Landeskirche
Als Hauptimpulsgeberin berichtete Dr. Beate Hofmann, Bischöfin der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck (EKKW), über die Herausforderung ihrer Landeskirche angesichts der tödlichen Anschläge, die auf dem Gebiet der EKKW von Rechtsextremisten verübt wurden.
So hätten der durch Ausländerhass motivierte Mord an dem Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke 2019 durch einen Neonazi und der rechtsextreme Terrorakt 2020 in Hanau, bei dem neun Hanauer Bürgerinnen und Bürger starben, die EKKW dazu bewogen, mit dem Beitritt zu der regionalen Initiative „Offen für Vielfalt“ ein sichtbares Zeichen gegen Rechtsextremismus zu setzen. Mit ihrer Positionierung wolle die Landeskirche die aktiven Kräfte für Vielfalt und gegen Ausgrenzung in Kirche und Gesellschaft verstärkt wissen. Die Beitrittsbegründung ist hier nachzulesen.
Bildungsprogramm als Lösungsansatz gegen Rassismus
Neben dem Knüpfen entsprechender Netzwerke hielt Bischöfin Hofmann vor allem das Entwickeln von antirassistischen Gottesdienstformaten, Bildungsveranstaltungen und von antirassistischem Material für die Konfirmandenarbeit sowie die Durchführung von vorurteilsbewussten Sensibilisierungstrainings aller kirchlicher Mitarbeitenden für sinnvoll, um sich im Binnenverhältnis mit strukturellem Rassismus und Alltagsrassismus auseinander zu setzen.
Der Umstand, dass Kirchengemeinden meist vornehmlich ein weißes homogenes Selbstbild hätten und die gesellschaftliche Vielfalt nur punktuell wahrgenommen und jenseits einiger interkultureller Leuchtturmprojekte wie dem Himmelsfels nicht breit reflektiert werde, sah die leitende Theologin als weitere Herausforderung innerhalb der Kirche: „Wir machen uns unglaubwürdig, wenn wir uns als Ort der Vielfalt präsentieren und in unseren Gemeinden aber nur weiße Mittelstandsmenschen sitzen.“
Mit Blick auf den Umgang mit Hass und Hetze von rechts betonte Dr. Hofmann, dass sich rechtsextreme Denkweisen nicht allein durch Diskussionen verändern ließen, sondern dass in erster Linie Erfahrungen rechte Denkmuster aufbrechen können. Hier verwies sie auf die Bedeutung von Begegnungen, die beispielsweise von der VEM angeboten werden, die Vorurteile abbauen und neue Erfahrungswerte aufbauen helfen.
Keine einfachen Antworten auf ein komplexes Thema
In ihrem Abschluss-Statement wies die leitende Geistliche ausdrücklich darauf hin, dass es in der Auseinandersetzung mit Rassismus keine einfache Antworten gebe und dass das Ringen um antirassistisches Verhalten oftmals mit vielen anderen Themen verknüpft sei. Die Kirchen sollten hier nicht in die Falle der Vereinfachung tappen und einfache Antworten liefern. Vielmehr sei es gefordert, die Komplexität des Themas offen zu halten und den notwendigen Spagat zwischen Positionierung und Diskurs zu gehen. „Wir beziehen als Kirche ganz klar Position, wenn es um die Ablehnung von Rassismus und Ausgrenzung geht. Auf der anderen Seite haben wir als Kirchen in unserem Land die Chance, Räume zu eröffnen, in denen ein Austausch von Meinungen geschehen kann. Diese Chance müssen wir wahrnehmen, um Menschen an Erfahrungen heran zu bringen und auf diese Weise ihre Meinung zu ändern“, so die Bischöfin, die von den Fragestellungen zu Diskriminierung und Intersektionalität ihres Studiums der feministischen Theologie in den USA geprägt wurde.
Von der Vollversammlung der VEM wünsche sie sich deshalb eine Selbstverpflichtung der Kirchen im Hinblick darauf, sich der Komplexität des Themas zu stellen, auch wenn dies anstrengend, mühsam und schwierig sei, denn jede Vereinfachung im Sinne von „nur so darf man denken“ sei an dieser Stelle zu kurz gedacht.
Die für die Veranstaltung zuständige Leiterin der Abteilung Deutschland und Mitglied im Vorstand der VEM, Angelika Veddeler, resümierte wie folgt: „Die Konferenz hat deutlich gemacht, wie wichtig es ist, dass Kirchen sich auf allen Ebenen gegen Gewalt, Diskriminierung und Rassismus einsetzen – und sie hat gezeigt, was alles zu einem solchen Einsatz dazugehört. Erfahrungen wie die der EKKW werden in der kommenden VEM-Vollversammlung international ausgetauscht werden, um einander als Kirchen auch weltweit bei diesem Engagement zu unterstützen.“
Ausschnitte aus dem Vortrag von Bischöfin Dr. Beate Hofmann zum Thema können zusammen mit einem Interview ab dem 28. Januar 2022 im Podcast der VEM „United in Mission“ angehört werden.
Die Vereinte Evangelische Mission (VEM) mit Büros in Wuppertal, Indonesien und Tansania ist eine internationale, gleichberechtigte Gemeinschaft von 39 Mitgliedern, darunter 32 evangelische Kirchen in Afrika und Asien sowie sechs deutsche EKD-Kirchen und den v. Bodelschwinghschen Stiftungen Bethel. Die VEM verfolgt konsequent ein ganzheitliches Missionsverständnis. Dazu gehört, die Lebensumstände notleidender und benachteiligter Menschen unter Achtung ihrer persönlichen Würde und Berücksichtigung ihres kulturellen Kontexts zu verbessern.
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