Schule für ALLE trotz Corona
Distanzunterricht, Homeschooling und andere Bezeichnungen sind seit rund zwei Jahren zu fragwürdigen Standards geworden. Im Grunde kaschieren sie nur, dass unsere Kinder in den letzten beiden Jahren in ihrer Bildung abgehängt worden sind. Bislang traut sich kaum jemand, ehrlich zu sagen, welche Defizite diese Formen des Unterrichts tatsächlich auslösen, insbesondere auch bei Kindern aus so genannten prekären Verhältnissen, die präsente Schule noch mehr benötigen als andere. Sicherlich gibt es individuelle Unterschiede, aber hinter vorgehaltener Hand lauten die Antworten der Praktiker in aller Regel: diese Unterrichtsformen bringen „wenig bis nichts“. Distanzunterricht ist ein Versuch, der sich als weitgehend untauglich erwiesen hat.
Natürlich gibt es Infektionsschutzerfordernisse, und natürlich kann es auch Quarantäne-Erfordernisse geben, aber Präsenz-Unterricht lässt sich insbesondere für jüngere Kinder oder für Schülerinnen und Schüler aus schwierigen sozialen Verhältnissen nicht ersetzen. „Wir brauchen wieder Präsenzunterricht – so viel und so oft wie möglich“, fordert daher Rainer Becker, Ehrenvorsitzender der Deutschen Kinderhilfe – Die ständige Kindervertretung e. V.
Becker weist darauf hin, dass Schule mehr ist als nur Wissensvermittlung. „Schule ist Bildung, Schule ist Gemeinschaft, Schule ist Solidarität, das Erlernen von sozialem Verhalten. Schule ist in ganz erheblichem Maße auch Schutzraum für Kinder, er bietet ihnen Sicherheit vor Ge-walt und sexueller Gewalt. Doch das alles hat seit den Lockdowns erheblich gelitten“, so Becker. „Schule hilft den Kindern“, verdeutlicht er.
Vergleicht man die Corona-bedingten Schulschließungen in Deutschland mit sechs ausgewählten Ländern Europas im Zeitraum von Januar 2020 bis Mai 2021, liegt Deutschland laut dem IFO-Institut auf dem zweiten Platz der längsten Schulschließungen mit insgesamt 183 Tagen – ein trauriger Spitzenplatz. „Das kann und darf nicht so bleiben“, so Kinderschützer Becker. „Deutschland braucht in Bezug auf unsere Schulen mehr Mut, mehr Gelassenheit und mehr Flexibilität, wobei Flexibilität natürlich auch erfordert, dass die Schulen endlich den Hygiene-Standards entsprechen, die in Zeiten einer Pandemie erforderlich sind.“ Und wenn denn tatsächlich gelegentlich digitaler Unterricht erforderlich sein sollte, dann müssten die Schulträger im Jahr Zwei (!!!) nach dem Digital-Pakt endlich sicherstellen, dass alle Schülerinnen und Schüler über Internet-Anschlüsse und Computer pp. verfügen. „Das muss durch Verankerung im Schulgesetz garantiert sein“, fordert Becker.
Während der Corona-Pandemie sind die Übergriffe gegen Kinder bis hin zu Tötungsdelikten vor allem durch Lockdowns und Quarantänen stark angestiegen. Allein die Zahl der getöteten Kinder stieg von 2019 auf 2020 um 40 und damit um rund 35 Prozent. „Schlimme Fakten, die wir nicht wegwischen dürfen“, so Becker. „Präsenzunterricht schützt, Gefahren und Verletzungsspuren können eher wahrgenommen und es kann eher und rechtzeitig reagiert werden“, erläutert er.
Natürlich müssen die Kinder, ihre Eltern und andere Akteure bei so wichtigen Fragen wie der Rückkehr zu mehr Präsenz-Unterricht „abgeholt“ und „mitgenommen“ werden. Hier regt die Deutsche Kinderhilfe runde Tische in den Bildungsministerien der Länder an, um gemeinsame Lösungsstrategien zu entwickeln, die von allen mitgetragen werden und trotzdem den erforderlichen Hygienestandards entsprechen.
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