Mehr Carsharing und Ridepooling durch Umweltpreise und die Regulierung des privaten Pkw
Das Fraunhofer ISI hat zunächst die Flottendaten von Carsharing- und Ridepooling-Anbietern aus ganz Deutschland erhoben – in Metropolregionen genauso wie im ländlichen Raum. Ausgehend vom Referenzjahr 2020 haben die Expert:innen die zukünftige Entwicklung des Anteils automobiler Sharing-Dienste am Gesamtverkehrsaufkommen geschätzt, den sogenannten Modal Split. Darüber hinaus wurde erstmals auf nationaler Ebene untersucht, wie wirtschaftlich die Geschäftsmodelle in unterschiedlichen regulatorischen Szenarien sind und inwiefern sie Treibhausgase einsparen können.
Die Studie modelliert die Auswirkungen politischer Maßnahmen im Referenz-Szenario bei einer Verdreifachung der Carsharing-Fahrzeuge und einer Vervierfachung der Ridepooling-Fahrzeuge bis 2030. In weiteren Szenarien wird von einer Verdopplung der Fahrzeugdichten ausgegangen, während ein anderes Modell die Folgen deutlich vergünstigter Nutzungstarife für geteilte Mobilitätsdienste abschätzt.
»Aus unserem neuartigen Prognosemodell geht hervor, dass Mobilitätsdienste als Alternative zum Auto durchaus große Potenziale haben, insbesondere im ländlichen Raum«, erklärt Dr. Claus Doll, der am Fraunhofer ISI zu nachhaltiger Mobilität forscht. »Allerdings muss man genau beobachten, welche Angebote mittel- bis langfristig finanziell überlebensfähig sind und einen echten Beitrag zu einem nachhaltigeren Verkehr leisten. Die Entwicklung muss daher durch einen Mix aus Förderung und Regulierung aufmerksam begleitet werden.«
Wie stark der Anteil von Carsharing und Ridepooling wachsen kann
Bleiben die Rahmenbedingungen bezüglich Abgaben, Förderungen und Umweltkosten gleich, ist bis 2030 beim Carsharing von einem Wachstum des Modal Split um 32 Prozent auszugehen. Mit Politikmaßnahmen kann mit einer Verdopplung des Aufkommens gerechnet werden; bei deutlich vergünstigten Nutzungstarifen mit mehr als einer Verdreifachung der Fahrten.
Beim Ridepooling kann für Deutschland insgesamt und in Metropolregionen mit einer Verdopplung bis hin zu einer Verdreifachung des Fahrtenaufkommens gerechnet werden. In Kleinstädten und im ländlichen Raum hat das Fraunhofer ISI sogar Zuwächse auf fast das zwanzigfache heutiger Angebote ermittelt, was auf einen erheblichen Nachholbedarf hinweist, aber auch auf große Potenziale neuartiger Mobilitätsmodelle im Vergleich zum dort oft unrentablen fahrplangebundenen ÖPNV.
Unter extrem vorteilhaften Bedingungen mit deutlich dichteren Angeboten, stark abgesenkten Tarifen und hohen Preisen für die Nutzung von Pkw ist nach der Berechnung eine Steigerung des gemeinsamen Modal Split auf deutlich über zwei Prozent in Deutschland beziehungsweise bis 3,5 Prozent in Metropolen möglich.
Welche Faktoren für die Entwicklung von Carsharing und Ridepooling relevant sind
Entscheidend für den Erfolg von Carsharing-Angeboten sind vor allem fahrleistungsabhängige Abgaben auf den Pkw-Betrieb wie CO2-Abgaben und Kraftstoffsteuern, aber auch der Verzicht auf Kaufanreize für Privatfahrzeuge.
Diese haben eine weitaus größere Wirkung auf die Carsharing-Nachfrage als von den gefahrenen Kilometern unabhängige Parkgebühren oder City-Mauten, regulatorische Maßnahmen oder ein verbesserter ÖPNV. Im ländlichen Raum haben politische Instrumente insgesamt weniger Auswirkung auf den Modal Split von Carsharing als in Metropolen.
Auch auf den Erfolg von Ridepooling haben steigende Kosten für die private Pkw-Nutzung positive Auswirkungen. Die bestimmende Größe ist hier aber insbesondere die Angebotsdichte. Eine deutliche Verbesserung des bestehenden ÖPNV steht hingegen in deutlicher Konkurrenz zu Ridepooling-Angeboten.
Wie wirtschaftlich Carsharing- und Ridepooling-Modelle in Deutschland sind
Mithilfe einer breiten Analyse von Kosten- und Erlösindikatoren innerhalb und außerhalb des Transportgewerbes konnte das Fraunhofer ISI die betriebswirtschaftliche Rentabilität der zehn untersuchten Szenarien grob abschätzen.
Die für Carsharing-Anbieter wirtschaftlich besten Bedingungen ergeben sich danach bei einer Förderung des ÖPNV sowie einer Steigerung von Umweltpreisen wie CO2-Abgaben und Kraftstoffsteuern. Eine radikale Vergünstigung der Nutzungstarife schneidet wirtschaftlich betrachtet am schlechtesten ab.
Insbesondere fixe Mitgliedsbeiträge tragen dazu bei, dass das stationsgebundene Carsharing im Gegensatz zum Durchschnitt der sogenannten Free-Floating-Angebote durchaus kostendeckend betrieben werden kann. Ridepooling-Angebote erreichen hingegen in keinem der Szenarien ein gewinnversprechendes Umsatz-Kosten-Verhältnis oder ein positives operatives Ergebnis.
Treibhausgas-Einsparungen durch Förderung von Carsharing und Ridepooling?
Autobasierte Mobilitätsdienste erleichtern einerseits die Autonutzung und verursachen damit grundsätzlich Treibhausgasemissionen. Andererseits sorgen Carsharing und Ridepooling je nach Auslastungsgrad für eine effizientere Fahrzeugnutzung im Vergleich zum privaten Pkw und haben unter günstigen Rahmenbedingungen das Potenzial, den Modal Split hin zu emissionsärmeren Verkehrsmitteln zu fördern. Zudem befördern sie durch die Abkehr vom »Alleskönner Auto« die ÖPNV-Nutzung. Die für sie förderlichen Rahmenbedingungen sind ebenso wirksam für die Reduktion der Treibhausgase insgesamt.
Die Verbindung von höheren Kosten bei der Nutzung privater Pkw mit einem verbesserten und günstigeren ÖPNV erreicht in mehreren vom Fraunhofer ISI modellierten Szenarien eine Emissionsminderung im Jahr 2030 um 15,6 Megatonnen oder 17,3 Prozent gegenüber dem Referenzfall ohne Maßnahmen. Entsprechend kann eine wirksame Klimapolitik durchaus Hand in Hand mit der Förderung automobiler Mobilitätsdienste gehen.
Handlungsempfehlungen für die Förderung von Carsharing und Ridepooling in Deutschland
Der wirkungsvollste Hebel für automobile Sharing-Dienste ist eine stringente Setzung von Umweltpreisen. Hierzu zählt in erster Linie ein CO2-Preis deutlich über dem aktuell diskutierten Zielwert von 65 Euro je Tonne CO2-Äquivalent.
Wird auf eine starke Erhöhung des CO2-Preises verzichtet, so müssen stringente Gebühren für die Nutzung privater Pkw erhoben werden. Hier könnten Kommunen bei entsprechenden rechtlichen Rahmenbedingungen lokale Gestaltungsmöglichkeiten nutzen. Sharing-Dienste müssten jedoch von lokalen Abgaben wie Parkgebühren und City-Mauten ausgenommen werden, um ihre Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten oder zu stärken.
Neuartige Mobilitätsformen können insbesondere bei deren Förderung über niedrigere Preise eine Konkurrenz zum klassischen ÖPNV darstellen. Positive Effekte sind hingegen zu erwarten, wenn Carsharing und Ridepooling in den existierenden ÖPNV integriert werden.
Eine Verlagerung von Rad- und Fußwegen auf automobile Mobilitätsdienste ist dabei zugunsten von Gesundheit und Nachhaltigkeit zu vermeiden. Zudem sollten begleitende Instrumente wie die Verpflichtung zu lokal emissionsfreien Antrieben oder eine Mindestauslastung im Ridepooling durch den Gesetzgeber geprüft werden.
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