Schneckentempo statt „Paris-Moment“
Den Mitgliedsstaaten fehlt es nicht nur an Ambition, sondern auch an politischer Führung. „Es ist deutlich spürbar, dass das Thema Biodiversität in den Regierungen nicht die Priorität hat, die es bei der Dringlichkeit dieser Krise bräuchte. Das ist fatal, denn es geht um unsere Lebensgrundlagen. Wir brauchen mehr diplomatisches Engagement jenseits der Ebene der Verhandler, zum Beispiel von Minister:innen“, fordert Florian Titze. Deutschland muss jetzt die Verantwortung der G7-Präsidentschaft nutzen und das Thema auf höchster politischer Ebene verankern.
Ob es in Kunming zu einem „Paris-Moment“ für die Natur wie 2015 beim Klimaschutz kommen wird oder die Verhandlungen in einem Debakel enden, entscheidet sich vor allem an der Finanzierung. Ambitionierte Ziele zur Ausweitung von Schutzgebieten, Renaturierung von Flächen, Ernährungswende und Reduzierung des ökologischen Fußabdrucks von Produktions- und Konsumweisen wird es nur geben können, wenn auch entsprechende Finanzierungszusagen vorhanden sind, um all dies umzusetzen. „Die reichen Industrieländer müssen mehr internationale Unterstützung für Entwicklungsländer leisten, insbesondere die großen Geberländer Großbritannien, Frankreich und Deutschland. Deutschlands Beitrag zur internationalen Finanzierung von Biodiversität war in der vergangenen Dekade eine solide und faire Stütze für den globalen Süden. Wenn sich ein Verhandlungserfolg in China an der Beitragserhöhung der Geberländer entscheidet, könnte es katastrophal sein, wenn Deutschland den finanziellen Beitrag jetzt nicht steigert“, so Florian Titze.
Von den laufenden Verhandlungen für den Bundeshaushalt 2022 muss daher ein Signal ausgehen: Mit einer Zusage zur Erhöhung der Mittel für die internationale Biodiversität auf eine Milliarde Euro pro Jahr. Damit würde der Deutsche Bundestag den erfolgreichen Abschluss der Verhandlungen unterstützen und die respektierte Rolle Deutschlands in der internationalen Umweltdiplomatie stärken. Der WWF fordert für die folgenden Jahre eine stetige Erhöhung der internationalen Biodiversitätsfinanzierung auf zwei Milliarden Euro im Jahr.
„Ganz wichtig ist auch, dass die Länder schädliche Finanzströme umleiten. Naturschädliche Subventionen müssen gestoppt und wichtige Reformen für den Finanzsektor ins Rollen gebracht werden. Die immensen öffentlichen und privaten Investitionen in wirtschaftliche Aktivitäten, die den Planeten zerstören, dürfen in Zukunft nicht mehr akzeptabel sein“, erklärt Florian Titze. Allein in Deutschland fließen jährlich 68 Milliarden an naturschädlichen Subventionen, die dringend abgebaut oder umgeschichtet werden müssen.
„Im Koalitionsvertrag beschreibt die Bundesregierung den Erhalt der Artenvielfalt als eine Menschheitsaufgabe und ethische Verpflichtung. Im Kontext der Verhandlungen für das Weltnaturabkommen kann sie nun mit einer stärkeren und fairen Biodiversitätsfinanzierung Lebensretterin sein – für die Zukunft des Planeten und uns Menschen, die auf ihm leben.“
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