Gesundheit & Medizin

Krebsvorsorge: Wann ist der beste Zeitpunkt für die nächste Darmspiegelung?

Menschen, bei denen bereits Darmkrebsvorstufen entdeckt und entfernt wurden, sollten sich häufiger als andere Personen einer Darmspiegelung unterziehen. Um festzulegen, nach welcher Zeit die nächste Darmspiegelung bei diesen Patienten durchgeführt werden sollte, wurden bisher fast ausschließlich die Größe, Charakteristika und Anzahl der Adenome herangezogen. Künftig könnten auch weitere Informationen in die Bestimmung des geeigneten Zeitintervalls einfließen. So fanden Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler vom DKFZ heraus, dass bestimmte Variationen im Erbgut der Patienten bei der Identifizierung eines individuellen Nachsorgeintervalls wertvolle Zusatzinformationen liefern können.

Viele Menschen entwickeln im Laufe des Lebens im Innern des Dickdarmes Schleimhautvorwölbungen (Polypen). Bei rund 70 Prozent dieser Wucherungen handelt es sich um so genannte Adenome, die zu Krebs entarten können und deshalb vorsorglich entfernt werden müssen. Die Identifizierung und Entfernung krebsverdächtiger Darmpolypen erfolgt meist bei einer Darmspiegelung, die im Rahmen der Krebsvorsorge in Deutschland für Männer ab dem 50. und Frauen ab dem 55. Lebensjahr angeboten wird.

Schon länger ist bekannt, dass neben dem Alter und Geschlecht der Person sowie der Größe und Zahl bereits aufgetretener Adenome auch genetische Faktoren mit dem Darmkrebsrisiko in Zusammenhang stehen. So haben Studien gezeigt, dass bestimmte Variationen im Erbgut, so genannte Einzelnukleotid-Polymorphismen (SNPs), mit dem individuellen Darmkrebsrisiko in Zusammenhang stehen. Auf Basis einer Vielzahl solcher SNPs lassen sich sogenannte polygene Risikoscores (PRS) entwickeln. „Für eine möglichst effektive Darmkrebsvorsorge wäre es wichtig zu wissen, ob solche Scores dabei helfen können, Vorsorgeuntersuchungen auf der Basis des individuellen Darmkrebsrisikos gezielter einzusetzen“ erklärt der Epidemiologe Herrmann Brenner vom Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) in Heidelberg.

Eine besonders wichtige Frage dabei ist, ob der PRS bei Teilnehmern der Vorsorge, bei denen bereits Adenome gefunden und entfernt wurden, hilfreiche Informationen zum individuell geeigneten Nachsorgeintervall liefern kann. Dem ging das Team um Brenner nun nach. „Wir haben untersucht, ob der PRS dazu beitragen kann, eine personalisierte Empfehlung dafür zu geben, nach wie vielen Jahren eine Kontrolluntersuchung mit einer weiteren Darmspiegelung durchgeführt werden sollte“, erklärt er. „Dann könnten die Teilnehmer der Vorsorge besser und individueller beraten werden.“

Die Heidelberger Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler analysierten Daten von 4696 Darmkrebspatienten und 3709 Teilnehmern ohne Darmkrebs der DACHS-Studie*, einer seit 2003 in der Rhein-Neckar Region laufenden Fall-Kontroll-Studie. Nun berechneten die Forscher mithilfe statistischer Methoden unter Einbeziehung des PRS und der Daten der früheren Koloskopien das Darmkrebsrisiko. Dabei stellten sie je nach Häufigkeit und Befund vorheriger Koloskopien und dem jeweiligen PRS große Unterschiede fest. So entsprach das 10-Jahres-Darmkrebsrisiko von Personen mit Niedrigrisiko-Adenomen und niedrigem PRS dem 10-Jahres-Risiko von Personen ohne Polypen. Menschen mit Hochrisiko-Adenomen sowie Menschen mit Niedrigrisiko-Adenomen und hohem PRS erreichten dieses Niveau jedoch bereits innerhalb von drei bis fünf Jahren.

Aus ihren Analysen schlossen die Wissenschaftler, dass die Einbeziehung des PRS bei Personen mit einer Adenom-Historie eine genauere Risikoabschätzung erlaubt. „Diese Ergebnisse könnten helfen, die Krebsvorsorge in der klinischen Praxis besser an das individuelle Krebsrisiko des einzelnen anzupassen“, so Brenner. „So könnte Menschen mit eher geringem Risiko erspart bleiben, sich öfter als notwendig einer Koloskopie zu unterziehen. Auf der anderen Seite ließe sich bei Menschen mit hohem Darmkrebsrisiko die Gefahr reduzieren, eine Krebsvorstufe zu übersehen“, sagt Brenner. Ob dieses Verfahren der kombinierten Risikoermittlung exakt genug ist für die klinische Anwendung und wie es sich weiter verbessern lässt, ist Gegenstand künftiger Untersuchungen.

* DACHS steht für: Darmkrebs: Chancen der Verhütung durch Screening

Feng Guo, Dominic Edelmann, Rafael Cardoso, Xuechen Chen, Prudence R Carr, Jenny Chang-Claude, Michael Hoffmeister, Hermann Brenner Polygenic risk score for defining personalized surveillance intervals after adenoma detection and removal at colonoscopy. Clin Gastroenterol Hepatol 2022; DOI: 10.1016/j.cgh.2022.03.013

Über Deutsches Krebsforschungszentrum

Das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ) ist mit mehr als 3.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die größte biomedizinische Forschungseinrichtung in Deutschland. Über 1.300 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler erforschen im DKFZ, wie Krebs entsteht, erfassen Krebsrisikofaktoren und suchen nach neuen Strategien, die verhindern, dass Menschen an Krebs erkranken. Sie entwickeln neue Methoden, mit denen Tumoren präziser diagnostiziert und Krebspatienten erfolgreicher behandelt werden können.

Beim Krebsinformationsdienst (KID) des DKFZ erhalten Betroffene, interessierte Bürger und Fachkreise individuelle Antworten auf alle Fragen zum Thema Krebs.

Gemeinsam mit Partnern aus den Universitätskliniken betreibt das DKFZ das Nationale Centrum für Tumorerkrankungen (NCT) an den Standorten Heidelberg und Dresden, in Heidelberg außerdem das Hopp-Kindertumorzentrum KiTZ. Im Deutschen Konsortium für Translationale Krebsforschung (DKTK), einem der sechs Deutschen Zentren für Gesundheitsforschung, unterhält das DKFZ Translationszentren an sieben universitären Partnerstandorten. Die Verbindung von exzellenter Hochschulmedizin mit der hochkarätigen Forschung eines Helmholtz-Zentrums an den NCT- und den DKTK-Standorten ist ein wichtiger Beitrag, um vielversprechende Ansätze aus der Krebsforschung in die Klinik zu übertragen und so die Chancen von Krebspatienten zu verbessern. Das DKFZ wird zu 90 Prozent vom Bundesministerium für Bildung und Forschung und zu 10 Prozent vom Land Baden-Württemberg finanziert und ist Mitglied in der Helmholtz-Gemeinschaft Deutscher Forschungszentren.

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