ZDG-Präsident Friedrich-Otto Ripke: „Bei der Finanzierung ist die Politik in der Pflicht. Es geht um die Zukunftssicherung des Nutztierstandortes Deutschland!“
Ripke sieht Politik und Handel in der Pflicht, den Nutztierstandort Deutschland zu erhalten. Ernsthafte Fortschritte beim Tierwohl gebe es nur, wenn die heimischen Landwirte mitgenommen werden. Sie seien im internationalen Vergleich heute schon Vorbild in Sachen Qualität und Tierwohl:
„Tierische Lebensmittel aus Deutschland sind unvergleichlich gut! Leider bleibt die Einsicht darüber seit Jahren aus. Hier werden Politik und Handel ihrer Verantwortung nicht gerecht, den Umbau tatsächlich voranzubringen – ohne dass es zu einseitigen Belastungen der Tierhalter kommt. Im Gegenteil: Eine nationale Auflagenflut hat zu massiven Kostensteigerungen in der gesamten Wertschöpfungskette geführt und der schreckliche Angriffskrieg auf die Ukraine hat diese Entwicklung noch verstärkt.
Unsere Geflügelhalter können bereits seit längerem nicht mehr kostendeckend arbeiten. Die Quote an Hofaufgaben in Deutschland hat sich zuletzt verdoppelt. Das sind Alarmsignale, auf die alle und vor allem Politik und Handel achten müssen. Denn dadurch wird die Ernährungssicherheit der deutschen Bevölkerung gefährdet.“
Zukunftsfeste Tierhaltung gelingt nur mit klarem Finanzierungsrahmen
Laut Ripke liegen Lösungsansätze bereits auf dem Tisch: „Der Kompetenzkreis Nationale Nutztierstrategie (Anm.: sogenannte Borchert-Kommission) hat in breitem Konsens aus Wissenschaft, Praxis und Verbänden ein detailliertes Konzept erarbeitet, darunter konkrete Empfehlungen zur möglichen Finanzierung. Der Investitionsbedarf der Transformation liegt nach Schätzungen ungefähr bei vier bis sechs Milliarden Euro pro Jahr. Da wirkt es fast wie Hohn, wenn im aktuellen Bundeshaushalt 2022 von rund 500 Milliarden Euro gerade mal eine Milliarde für die Tierhalter in Aussicht gestellt wird. Gleichzeitig stehen der allgemeinen Finanzverwaltung aber Mittel in Höhe von 146 Milliarden Euro zur Verfügung.
Die Ernährung der deutschen Bevölkerung mit Lebensmitteln aus heimischer Produktion muss dringend einen höheren Stellenwert haben. Mehr Tierwohl hat in den vergangenen Jahren national zu immer geringeren Besatzdichten und dadurch zu immer kleineren Selbstversorgungsgraden geführt. Das löst ungewollte Importe von Lebensmitteln mit Minderwerten bei Tierwohl und Nachhaltigkeit aus und rückt in Zeiten mangelnder Lebensmittelversorgung den Standort Deutschland international in kein gutes Licht. Aktuell prognostizieren die Vereinten Nationen gerade, dass global etwa 45 Millionen Menschen Hunger oder Unterernährung droht. Deshalb müssten rein nationale produktionsbeschränkende Auflagen einmal vorübergehend ausgesetzt werden. Das heißt nicht abschaffen.
Für mich ist die Ernährungssicherheit der Bevölkerung nicht nur eine moralische, sondern auch eine grundlegende Pflicht der Politik, vergleichbar mit der Gesundheit. Mit Blick auf das Volumen des Bundeshaushaltes 2022 fällt der Regierung sicher eine bessere Lösung ein, als sich im politischen Klein-klein von Finanzierungsfragen und Parteipositionen zu verhaken. Die Ampel ist aufgerufen, hier einen tragfähigen Kompromiss zu finden, denn nur mit einem klaren langfristigen Finanzierungsrahmen wird die von Özdemir beschworene zukunftsfeste Tierhaltung gelingen.
Ein Mischmodell, hinter dem sich auch Grüne und FDP versammeln könnten, wäre beispielsweise eine marktfinanzierte Tierwohlabgabe verbunden mit einer ergänzenden jährlichen Zuweisung von zweckgebundenen Haushaltsmitteln durch das Bundesministerium für Finanzen (BMF) an das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL). So könnte Bundesminister Cem Özdemir den Tierhaltern die notwendige langfristige Mehrkostenerstattung über einen Zeitraum von 20 Jahren garantieren. Der Markt wird dies kurzfristig nicht leisten können. Verbunden mit einer regelmäßigen Evaluierung des Marktanteiles und der realen Produktionskosten würde damit ein sicheres Finanzierungssystem etabliert.“
Herkunftskennzeichnung weiterer wichtiger Baustein
Für den Erfolg des vorgestellten Eckpunkte-Plans braucht es neben der Haltungskennzeichnung auch eine umfassende und verbindliche Herkunftskennzeichnung, unterstreicht Ripke: „Über 80 % der Verbraucher wünschen sich laut Umfragen diese Transparenz für ihre Konsumentscheidung. Das verbindliche Herkunftskennzeichen muss politisch und technisch sofort entwickelt werden, damit es zum 1. Januar 2023 zur Anwendung kommen kann. Es ist eine wichtige Grundlage der Finanzierung einer Tierwohlabgabe.
Gerade weil die Menschen in Deutschland aktuell aufgrund der Inflation und der steigenden Lebenshaltungskosten äußerst preissensibel reagieren, sind Politik und Handel gut beraten, auf die Markt-Realitäten zu schauen: So kommt beispielsweise 90 % der Nachfrage nach Geflügelfleisch aus der Haltungsstufe 2 der Initiative Tierwohl. Der Verbraucher lässt sich nicht in immer höhere Haltungsstufen hineinzwingen, die sich viele einfach nicht leisten können.“
Laut Ripke sei es genau deshalb ganz entscheidend, dass die Frage der Finanzierung zusammen mit der Haltungs- und Herkunftskennzeichnung ganz nach oben auf die politische Agenda komme. Einzeln und für sich werden die drei Bereiche keine Lösung finden. „Nehmt in der Berliner Politik alle endlich klare Haltung ein und kommt schnell in die Umsetzung! Das gebietet die Gesamtverantwortung. Es steht zu viel auf dem Spiel“, appelliert der ZDG-Präsident und langgediente Agrar-Staatssekretär.
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