„Was pflegende Angehörige wirklich leisten – darüber spricht keiner!“
Nachdem Herbert Müller seine Partnerin bewusstlos am Boden vorfand und sie reanimiert werden musste, war schnell klar, dass sie nicht mehr aufwachen würde. Die Ursache konnte nicht herausgefunden werden, für ihn kam das Ganze plötzlich und unerwartet. Zunächst auf der Intensivstation, später in einer Intensiv-Wohngemeinschaft, lag sie für insgesamt 8 Jahre im Wachkoma. In dem Entschluss, seine Partnerin nicht alleine lassen zu wollen und voller Tatendrang, krempelte Herbert Müller die Ärmel hoch und wollte sie selbst zu Hause versorgen. Doch was es wirklich bedeutet, eine Wachkomapatientin rund um die Uhr alleine zu versorgen, kann man sich als Außenstehender nicht vorstellen. Und bis Herbert Müller realisiert, dass er dazu nicht in der Lage ist, muss erst noch Zeit vergehen. "Man macht schließlich alles zum ersten Mal, das sind Fragen über Fragen, die man sich vorher noch nie gestellt hat. Natürlich dauert dieser Prozess", erklärt Sandra Gutzeit, langjährige Pflegetrainerin am Helios Klinikum Duisburg. "Auch muss zuerst der emotionale Schock überwunden werden, einen geliebten Menschen so vorzufinden." Müller und auch viele weitere Angehörige, die plötzlich vor dieser neuen Situation stehen, werden oftmals zu früh mit zu vielen vermeintlich unterschiedlichen Informationen überfordert. "Da ist man noch gar nicht in der Lage, das alles aufzunehmen", so Gutzeit. Zum ersten Mal gesehen haben die beiden sich in der Helios St. Johannes Klinik, als seine Partnerin auf die Intensivstation kam. Gutzeit bot ihm Hilfe in Form von kostenlosen Beratungen, Pflegekursen und Gesprächskreisen an. Mit der Zeit wächst das Vertrauen zwischen dem Angehörigen und der Pflegetrainerin, sodass die gelernte Kinderkrankenschwester ihm aufzeigen konnte, dass seine Partnerin nur in einer betreuten Wohngemeinschaft gut aufgehoben sein würde. Dort wird sie von professionellen Fachkräften 24 Stunden überwacht und gepflegt. Er besucht seine Partnerin jeden zweiten Tag, um ihr Gesellschaft zu leisten und sie zu versorgen. "Das wollte ich noch selbst machen, auch wenn es manchmal wirklich sehr anstrengend wurde ", so Herbert Müller.
Er ist sehr dankbar für die Tricks und Kniffe, die er während der Pflegekurse gelernt hat. Neben pflegefachlichem Wissen, wie Handgriffe bei der Mobilisierung und Positionierung, Handgriffe beim Anreichen von Essen, Trinken und Medikamenten oder auch Handgriffe bei der Körperpflege und dem An- und Auskleiden, werden einem auch Grundlagen der Pflegeversicherung vermittelt. Dazu gehört unter anderem die Frage, mit welchem Pflegegrad man welche Pflegeleistungen aus der Pflegeversicherung erhält. Auch die Gespräche und der gegenseitige Austausch helfen ihm in dieser Zeit. "Das sind alles Dinge, auf die kommt man nicht einfach so. Bei den Handgriffen musste ich richtig üben. Immer und immer wieder", sagt der Rentner. Zum Glück weiß Sandra Gutzeit die Stimmung in solchen Übungen zu lockern und vermittelt ihr Wissen mit viel Freude. Aber natürlich gibt es auch ernste, emotional aufgeladene Gespräche. "Die kostenlosen Beratungen, Trainings, Schulungen und Gesprächskreise helfen den Menschen, die gerade ihren Halt verloren haben und die eine Stütze brauchen – emotional oder mithilfe von praktischen Übungen zur Pflege." Dazu gehören ebenfalls Schritt-für-Schritt-Anleitungen und Hilfestellungen beim Ausfüllen von Anträgen.
Durch den Gesprächskreis wusste die Pflegetrainerin, dass Herbert Müller ganz alleine ist. Der enge Kontakt entwickelte sich schnell zu einer noch engeren Freundschaft, die die beiden nun seit über neun Jahren verbindet. "Unser Arbeitsauftrag als Pflegetrainer ist ganz klar: Wir sehen dich und bedanken uns bei dir. Die Bürde, die man als pflegender Angehöriger hat, ist immens groß. Das sieht kaum jemand. Wir lassen keinen damit alleine. Das Schönste ist für mich, wenn sich die Angehörigen gegenseitig stützen und in Kontakt bleiben", sagt Sandra Gutzeit. Dem stimmt Herbert Müller nur zu: "Man bekommt die Hilfe, die man sucht".
Einen ganz praktischen Tipp möchte der Angehörige am Ende des Gesprächs noch jedem mit auf den Weg geben: "Man sollte am besten eine Tabelle vorbereiten mit allen Infos, die man benötigt. Alle wichtigen Telefonnummern, die Namen der Ärzte, den Namen der Krankenkasse, Medikamente, die eingenommen werden und ob Allergien vorhanden sind. Denn mir wurden all diese Fragen auf einmal zu meiner Frau gestellt und ich wusste nicht alles sofort. Man sollte vorbereitet sein." Genau aus diesem Grund hat er nun auch eine Notfalldose in seinem Kühlschrank zu Hause. Darin befinden sich alle wichtigen Medikamente, die er einnehmen muss und Informationen über Allergien. Sollte es zu einem Notfalleinsatz kommen, wissen die Rettungssanitäter:innen sofort Bescheid, wo sie nachzuschauen haben. Im besten Fall markiert man den Kühlschrank noch mit einem grünen Aufkleber (ein Kreuz), der in der Dose enthalten ist, sodass dieser auch schon auf größere Distanz für die Einsatzkräfte erkennbar ist.
Info:
Jedem pflegenden Angehörigen und ehrenamtlich Pflegetätigen stehen kostenlose Pflegekurse zu: „Die Pflegekassen haben für Angehörige und sonstige an einer ehrenamtlichen Pflegetätigkeit interessierte Personen unentgeltlich Schulungskurse durchzuführen, um soziales Engagement im Bereich der Pflege zu fördern und zu stärken, Pflege und Betreuung zu erleichtern und zu verbessern sowie pflegebedingte körperliche und seelische Belastungen zu mindern und ihrer Entstehung vorzubeugen.“ ( § 45 des Elften Buchs Sozialgesetzbuch SGB XI)
Das Helios Klinikum Duisburg bietet regelmäßig kostenlose Pflegekurse an. Angeboten werden Pflegegrundkurse, spezielle Demenzkurse und verschiedene Gesprächskreise, z.B. „Kraft tanken“ und „Mach mal Pause“.
Anmeldungen unter (0203) 546 41722.
*Der Name wurde geändert.
Helios Klinikum Duisburg
Dieselstraße 185
47166 Duisburg
Telefon: +49 (203) 5460
Telefax: +49 (30) 521321-199
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