Familie & Kind

Handschreiben und Schreibkompetenz sichern Zukunft von Kindern

Die Schreibkompetenz von Kindern verschlechtert sich seit einigen Jahren zunehmend, wie eine Studie des Schreibmotorik-Instituts in Heroldsberg und dem Verband für Bildung und Erziehung belegt. „Das Thema ist vielschichtig“, sagt Susanne Salata. Die Ergotherapeutin im DVE (Deutscher Verband Ergotherapie e.V.) arbeitet innerhalb eines deutsch-französisch-luxemburgischen Projekts an einem Programm mit, das Schulen als Schreibmotorik-Schule zertifiziert. Vier Pilot-Schulen gehen mit Beginn des neuen Schuljahrs an den Start. Ein wichtiger Schritt, um dem Dilemma aus fehlender Routine im Handschreiben und Schwierigkeiten in der Schreibmotorik etwas entgegenzusetzen.

Die Antworten von mehr als 2.000 in einer Studie befragten Lehrer:innen verdeutlichen die Realität in deutschen Klassenzimmern: Das pädagogische Personal hat sich zunehmend mit schreibmotorischen Problemen seiner Schüler:innen auseinanderzusetzen, so das Fazit der online durchgeführten Untersuchung. Die im Rahmen der Studie genannten Gründe hierfür sind unter anderem mangelnde Kompetenzen in der Motorik und Koordination, verringerte Konzentrationsfähigkeit oder der häufigere Umgang mit digitalen Medien. Dazu die Ergotherapeutin Salata: „Das kann in Summe dazu führen, dass manche Kinder zu wenig Routine im Schreiben entwickeln – ihnen fehlt schlichtweg die Übung“.

Kinder in Alltägliches einbinden, Vorläuferfertigkeiten für Handschreiben fördern – so der Rat von Ergotherapeut:innen

Schreiben – und zwar mit der Hand – hat mehr Auswirkungen als allgemeinhin bekannt ist. Handschreiben ist bereits Teil des Lernens, beeinflusst die Qualität von Lesen, Rechtschreibung und Textverständnis. Wie gut ein Kind mit der Hand schreiben kann, hat maßgeblichen Einfluss auf seine kognitive Entwicklung. Alles zusammen wirkt sich auf den schulischen Erfolg aus. Die Vorläuferfertigkeiten für das Handschreiben – insbesondere die motorischen Fähigkeiten – erlangen und verbessern Kinder, indem sie beispielsweise malen, basteln, handarbeiten, musizieren oder handwerken. Sämtliche Aktivitäten, bei denen Kinder sich bewegen oder die Hände benutzen, spielen eine Rolle. Eltern, die ihre Kinder hier fördern möchten, rät die Ergotherapeutin, den Nachwuchs zusätzlich schon früh in Alltägliches einzubeziehen. Etwa beim Essenzubereiten helfen lassen: Obst und Gemüse schneiden, Gebäck herstellen und Teig kneten. Auch draußen in der Natur oder im Garten finden sich viele Möglichkeiten wie in Sand oder Erde buddeln und bauen – es taugt alles, bei dem die Kinder sich und vor allem ihre Finger bewegen, unterschiedliche Materialien spüren und bearbeiten und so die Sinne und die Wahrnehmung des eigenen Körpers stärken, ein Körpergefühl entwickeln und ganz nebenbei die Motorik trainieren. Spielerisch, versteht sich.

Ergotherapeutische Beteiligung an länderübergreifendem Projekt für besseres Handschreiben und Schreibkompetenz

Nicht nur deutsche Schulen sind in der Bredouille. Dieselben Schwierigkeiten existieren auch bei europäischen Nachbarn: Im Rahmen eines Erasmus+ Projekts arbeitet ein multiprofessionelles Team aus Deutschland, Frankreich und Luxemburg am Thema ‚Handschreiben und Schreibmotorik‘. „Wir konzentrieren uns in diesem Programm darauf, das Üben von Vorläuferfertigkeiten für das Handschreiben sowie der Schreibmotorik in allen Unterrichtsfächern der Grundschule zu berücksichtigen, erarbeiten entsprechende Trainingsprogramme und Aufgaben“, erklärt die Ergotherapeutin Salata. Das Lernmaterial gibt es in Form von Übungskarten für die Unterrichtsfächer Deutsch, Mathematik, Sport, Musik, Werken und Gestalten. Unabhängig vom Unterrichtsfach haben die Übungen immer die Schwerpunkte: ‚Stabile und dynamische Körperhaltung‘, ‚Ergonomisch günstige Stifthaltung und Führung‘ und in Deutsch und Mathematik ‚Leserliches und flüssiges Schreiben‘ Die einzelnen Übungen sind jeweils fächerspezifisch und orientieren sich an den Kompetenzerwartungen des Lehrplans. Im begleitenden Online-Kurs erlangen die Lehrer:innen der Schulen, welche das Programm einsetzen, fundierte Kenntnisse zu den zugrundeliegenden theoretischen Methoden und Konzepten. Das ist gut so, denn das Verständnis, weshalb und mit welchen Zielsetzungen die Kolleg:innen die Übungen so gestaltet haben, sensibilisiert und erhöht die Akzeptanz. Weitere Arbeitshilfen sind unter anderem ein Screeningverfahren zu Handschreiben und Schreibmotorik für die Lehrer:innen mit Hinweisen, worauf sie bei ihren Schüler:innen im (Deutsch-)Unterricht während des Schreibens achten können. Auch für die Schüler:innen hat das Projektteam eine Arbeitshilfe entwickelt: ein kind- und altersgerechtes Lerntagebuch, das motivationsverstärkend wirkt.

Ergotherapeutische Vorgehensweisen – im europäischen Programm und in der Praxis

Das Programm bezieht alle Kinder einer Klasse ein, es werden ausnahmslos alle gefördert: Diejenigen, die einen Förderbedarf haben, aber auch die Kinder, die bereits flüssig schreiben können, gehören dazu und werden wie alle anderen motiviert, ihre Fähigkeiten weiter auszuprägen. „Wenn sich Begeisterung breit macht, erfasst das alle“, so Susanne Salata, die an einem sozialpädiatrischen Zentrum und als wissenschaftliche Mitarbeiterin im Schreibmotorik Institut e.V. Heroldsberg arbeitet. Als Ergotherapeutin kennt sie die große Bandbreite von Problemen, die Kinder wegen ihrer mangelnden motorischen Fähigkeiten haben können. Die Ergotherapeutin kennt aber auch viele Kniffe, wie sie diese Kinder bei ihren individuellen Interessen packen und für das Erreichen eines Ziels – wie hier das Handschreiben – gewinnen kann. „Ergotherapeut:innen schauen immer: wofür brennt das Kind, wofür besteht eine Leidenschaft – dann stellen sich die Lösungswege leichter ein“, sagt sie. Genauso motivierend und zielführend, um Kinder für das Handschreiben zu interessieren, sind Maßnahmen, wie etwa Kinder zu Expert:innen zu machen. Die Ergotherapeutin, die sich in ihrer Masterarbeit mit dem Thema Stifthaltung befasst hat, beschreibt, wie Kinder einer Grundschulklasse sich bei einer entsprechenden Aktion vor der Pilotierung des Erasmus+ Projekts verhielten. Die Lehrerin verteilte eine Vielzahl unterschiedlicher Stifte: runde, dreieckige, verschiedene Formen, Oberflächen, Längen, Dicken – der Markt bietet eine große Fülle. Die Kinder durften nach Herzenslust probieren und experimentieren. Dabei machten sie ihre jeweils eigenen Erfahrungen, fanden heraus, wie sich die Form des Schreibgeräts auf die Stifthaltung, Druck und vieles mehr auswirkt. Im Austausch und aufgrund ihrer eigenen Erfahrung bildeten sie ihre Expert:innenmeinung. Ernst genommen werden und die eigene Entscheidungsfreiheit, welcher Stift sich am besten für sie eignet, erzeugte bei den Kindern Ansporn und beflügelte sie, gerne mit der Hand zu schreiben.

Status quo und Tipps für Eltern kleiner Kinder

Die Ergotherapeutin Salata zum derzeitigen Stand der Dinge: „Mit dem Start des neuen Schuljahres gibt es vier Pilot-Schulen – zwei in Bayern, eine im Elsass und eine weitere in Luxemburg“. Das Projektteam ist sehr gespannt auf die Rückmeldungen der Pilot-Schulen und verweist Eltern von Kindern, die noch nicht die Schule besuchen, auf ein Vorläuferprojekt, das sich ebenfalls mit dem Thema Handschreiben beschäftigt. Dieses hält viele praktische Tipps, Videos für Kindergärten und Grundschulen mit einer Verlinkung zu Lernvideos auch für Eltern auf YouTube bereit: https://www.hs-tutorials.eu/

Informationsmaterial zu den vielfältigen Themen der Ergotherapie gibt es bei den Ergotherapeut:innen vor Ort; Ergotherapeut:innen in Wohnortnähe auf der Homepage des Verbandes unter https://dve.info/service/therapeutensuche

Alles zum europäischen Projekt:  https://schreibmotorik-schule.eu/

Firmenkontakt und Herausgeber der Meldung:

Deutscher Verband Ergotherapie e.V.
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