Gesundheit & Medizin

„Mehr Bürokratie, aber keine einzige neue Pflegekraft – PPR 2.0 geht am Ziel vorbei“

Bundesgesundheitsminister Prof. Dr. Karl Lauterbach hat im engen Kontakt mit der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG), der Gewerkschaft ver.di und dem Deutschen Pflegerat ein Eckpunktepapier zur Einführung einer aktualisierten Pflegepersonalregelung (PPR 2.0) erarbeitet. Dieses trägt den Titel „Auf dem Weg zu besseren Arbeitsbedingungen in der Krankenhauspflege“. Es sieht vor, die PPR 2.0 ab dem 1. Januar 2023 probeweise und 2024 verpflichtend einzuführen. Ab 2025 sollen Sanktionen greifen, wenn Kliniken die Vorgaben nicht einhalten. Dr. Joachim Ramming, 3. Vorsitzender beim Verband der Privatkrankenanstalten in Bayern e.V. (VPKA) und VPKA-Vorstandsmitglied Veronika Diepolder kritisieren die vorgesehenen Maßnahmen als nicht zielführend. Anstelle einer Erleichterung verstärke das PPR 2.0 den ohnehin schon immensen Bürokratieaufwand in den Kliniken und führe zu keinerlei Entlastung in Bezug auf den dramatischen Fachkräftemangel in der Pflege.

Die Pflegepersonalregelung 2.0 soll für alle Akutkliniken gelten und der Ermittlung des Pflegepersonalbedarfs im gesamten Krankenhaus im Hinblick auf die unmittelbare Patientenversorgung auf allen bettenführenden somatischen Stationen für Erwachsene dienen. Sie sieht drei Stufen vor. 

1. Stufe: Erprobungsphase ab 1. Januar 2023

– Vor der verbindlichen Einführung der Pflegepersonalregelung wird ein Pilotverfahren zur Erprobung der PPR 2.0 und der Kinder-PPR 2.0 von mindestens drei Monaten unter verpflichtender Beteiligung einer repräsentativen Auswahl von Krankenhäusern gesetzlich vorgesehen. Weitere Krankenhäuser können sich freiwillig beteiligen.

– Das Pilotverfahren soll dazu dienen, die konzeptionellen Überlegungen zu konsolidieren und einem Praxistest zu unterziehen. Dabei soll auch eine Überprüfung der Ermittlung der Soll-Besetzung auf Grundlage der von den Pflegekräften vorzunehmenden Einstufungen erfolgen sowie der Schulungs- und Dokumentationsaufwand untersucht werden.

– Das Bundesgesundheitsministerium (BMG) beauftragt dazu eine fachlich unabhängige wissenschaftliche Einrichtung/Sachverständige, mit möglichst enger Anbindung an die Patientenversorgung im Krankenhaus.

– Der Auftragnehmer erstellt einen Abschlussbericht über die Ergebnisse der Erprobung und legt diesen dem BMG vor.

2. Stufe: Einführungsphase / verpflichtende Anwendung der Personalregelung ab 1. Januar 2024

– Ab dem 1. Januar 2024 soll die Personalregelung auf Grundlage der PPR 2.0 und der Kinder-PPR 2.0 verpflichtend in allen zugelassenen Krankenhäusern in der unmittelbaren Patientenversorgung auf bettenführenden Stationen eingeführt werden.

– Liegen für den Krankenhausstandort (tarif-)vertragliche Vereinbarungen zur Entlastung des Pflegepersonals vor oder werden derartige Vereinbarungen getroffen, ist die Pflegepersonalregelung nicht verpflichtend anzuwenden (sog. opt-out-Regelung).

– Das BMG wird ermächtigt, vor Einführungsbeginn durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates die näheren Einzelheiten zur Anwendung und Ausgestaltung der Pflegepersonalregelung unter Berücksichtigung der Konzepte zur PPR 2.0 und zur Kinder-PPR 2.0 sowie des oben genannten Abschlussberichts des Pilotverfahrens festzulegen.

– Die Pflegepersonalregelung hat zur Folge, dass auf Grundlage der durch die Pflegekräfte vorzunehmenden Pflegeeinstufungen die Anzahl der einzusetzenden Pflegekräfte ermittelt wird. Der ermittelte Pflegepersonalbedarf ausgedrückt in Vollkräften (Soll-Besetzung) wird anschließend mit dem tatsächlich in dem jeweiligen Bereich eingesetzten Pflegepersonal in Vollkräften (Ist-Besetzung) abgeglichen. Anhand der Differenz zwischen der Ist- und der Soll-Besetzung wird die Personalsituation in der Pflege im Krankenhaus sichtbar gemacht.

3. Stufe: Konvergenzphase mit Sanktionen im Falle des Unterschreitens des Umsetzungsgrades ab 1. Januar 2025

– Nach Ablauf eines Jahres nach Beginn der Einführungsphase sollen auf Grundlage der Daten zur Soll- und Ist-Besetzung die krankenhausindividuellen Umsetzungsgrade der Pflegepersonalregelung ermittelt und diese in einem bundesdurchschnittlichen Umsetzungsgrad zusammengeführt werden.

– In der anschließenden Konvergenzphase soll zunächst ein von allen Krankenhäusern zu erreichender Umsetzungsgrad (z.B. auf das Niveau des Bundesdurchschnitts) festgelegt werden. Es erfolgt sodann eine stufenweise Anhebung der Umsetzungsgrade der Pflegepersonalregelung mit dem Ziel des Personalaufbaus. Dabei sollen sich die Stufen an realisierbaren Werten orientieren und die Lage auf dem Arbeitsmarkt für Pflegekräfte berücksichtigen.

– Sanktionen für den Fall des Unterschreitens des krankenhausindividuell festgelegten Umsetzungsgrades: gestuftes Verfahren mit Maßnahmen, die im Verhältnis zum jeweiligen Umsetzungsgrad stehen und in einem präzisen und abgewogenen Maßnahmenkatalog festgelegt werden sollen. Wenn der krankenhausindividuelle Umsetzungsgrad dauerhaft trotz eines vom Krankenhaus aufgestellten Maßnahmenplanes zum Personalaufbau nicht erreicht wird, werden Sanktionen vorgesehen.

Kritikpunkte des VPKA

Dr. Joachim Ramming, 3. Vorsitzender des VPKA Bayern e.V., kritisierte die Inhalte in einem offenen Brief an den Vorstandsvorsitzenden der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG), Dr. Gerald Gaß. Weder das Pflegepersonalstärkungsgesetz noch die Pflegepersonaluntergrenze-Verordnung hätten neue Stellen geschaffen. Vielmehr seien sie „aus der Praxis heraus betrachtet sogar Rückschritte in die 70er Jahre.“ Er fordert mehr Ambulantisierung und die Abschaffung der starren Sektorengrenzen, mehr Anerkennung der verfügbaren Qualifikationen und deren Finanzierung sowie eine Steigerung der Attraktivität der Pflege durch Akademisierung. Hierdurch würden Perspektiven geschaffen und zugleich eine Entlastung für den ärztlichen Dienst ermöglicht. Die Bürokratie müsse deutlich verringert werden – aktuell 36% der pflegerischen Arbeitszeit entfiele aktuell auf Dokumentationspflichten. „Gute Pflege braucht einen Ordnungsrahmen, der sich an der Versorgungsrealität und der Versorgungsqualität orientiert. Gute Pflege entsteht nicht durch ein `Bürokratiemonster´!“

Ähnlich kritisch äußert sich Veronika Diepolder, Vorstandsmitglied des VPKA Bayern e.V. und Mitglied der Geschäftsleitung der m&i-Klinikgruppe Enzensberg. Sie sagt: „Die PPR 2.0 geht am gesetzten Ziel – der Verbesserung der Arbeitsbedingungen in der Krankenhauspflege – vorbei. Schlimmer noch: sie bedeutet weitere Reglementierungen, die sich kontraproduktiv auswirken und die die ohnehin prekäre Lage weiter verschlimmern.“ Denn das PPR 2.0 führe zu einer weiteren Steigerung der ohnehin schon immensen bürokratischen Anforderungen an das Pflegepersonal und reduziere somit dessen verfügbare Zeit am Patienten. Die Vorgaben zur Einstufung des Pflegebedarfs der Patientinnen und Patienten seien zu undifferenziert und bildeten die tatsächlichen Anforderungen in den Fachbereichen nicht ab, so Veronika Diepolder weiter. Zur Verdeutlichung führt sie ein Beispiel aus dem Fachbereich Orthopädie an: „Dem Konzept zufolge wird ein Patient mit Bandscheibenvorfall gleichgesetzt mit einem Patienten, der beispielsweise nach einem Verkehrsunfall innere Verletzungen, Knochenbrüche und kognitive Einschränkungen aufweist. Letzterer benötigt ein deutlich höheres und intensiveres Maß an Pflege. Dennoch werden beide in einen Topf geworfen.“

Einer weiterer von Veronika Diepolders Haupt-Kritikpunkten lautet: „Das PPR 2.0 bringt keine einzige Person neu in den Pflegeberuf – aber genau das ist ja eines der Hauptprobleme, mit denen das Gesundheitswesen zu kämpfen hat und um das es geht.“ Anstatt weiter Druck auf die Kliniken auszuüben, solle der Gesetzgeber lieber effektive Maßnahmen ergreifen, um die Pflege für die Arbeitnehmer attraktiver zu machen. „Das beginnt mit einer adäquaten, attraktiven Vergütung, die beispielsweise auch mit einer steuerfreien Auszahlung von Feiertags- und Nachzuschlägen einhergehen könnte. Auch eine Abkehr von der gängigen Praxis der ständig wechselnden Dienste könnte hilfreich sein. Sinnvoll wäre überdies die Wiedereinführung eines verpflichtenden sozialen Jahres, wie es die CDU unter dem Titel `Deutschlandjahr´ aktuell diskutiert.“ Ein solches trüge dazu bei, junge Menschen für Pflegeberufe zu begeistern. „Auf diese Weise haben früher unglaublich viele junge Frauen und Männer dauerhaft den beruflichen Weg ins Gesundheitswesen gefunden.“ Diepolder spricht sich überdies dafür aus, die Pflegeausbildung künftig auch im Reha-Bereich zu ermöglichen und ausländischen Pflegekräften den Zugang zum deutschen Gesundheitswesen zu erleichtern.

Die beiden Vorstände betonen einhellig: „ Die Ausgestaltung der geplanten Pflegepersonalregelung 2.0 ist in der aktuellen Form keineswegs geeignet, das Pflegepersonal zu entlasten und die Qualität der Pflege zu erhöhen.“

Über den Verband der Privatkrankenanstalten in Bayern e.V.

Der Verband der Privatkrankenanstalten in Bayern e. V. (VPKA) setzt sich als dynamischer und praxisnaher Verband seit mehr als 70 Jahren bayernweit für die inhaltlichen Belange der privaten Akut- und Rehakliniken ein. Er vertritt als größter Landesverband rund 170 Einrichtungen mit knapp 30.000 Betten. Sein Ziel ist eine qualitativ hochwertige, innovative und wirtschaftliche Patientenversorgung in Krankenhäusern und Rehabilitationskliniken. Neben der Beratung seiner Mitglieder vertritt er die Belange der Privatkrankenanstalten in gesellschaftlichen, sozialpolitischen und tariflichen Angelegenheiten.

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