Geier mit Forschungsauftrag
Geier verfügen über außerordentliche Sinnesleistungen und Intelligenz. Aus der Luft können sie einen Kadaver entdecken, so finden sich an einem toten Tier teilweise hunderte Geier innerhalb kürzester Zeit ein. Die evolutionäre Intelligenz der Tiere soll – gepaart mit Hightech – genutzt werden, um Umweltprobleme zu erkennen und zu lösen. Das Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung (Leibniz-IZW) und das Fraunhofer-Institut für Integrierte Schaltungen (Fraunhofer IIS) arbeiten seit Beginn des Jahres 2022 in einem neuen, ambitionierten Forschungsprojekt zusammen: Das vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) geförderte GAIA-Projekt hat sich zum Ziel gesetzt, eine neue Generation von Tiersendern zu entwickeln, die erheblich schnellere und genauere Einblicke in Ökosysteme erlauben.
Unverzichtbarer Kooperationspartner für die Entwicklung der weltweit neuartige Sendergeneration ist der Tierpark Berlin: Zwei Weißrückengeier im Tierpark tragen über einige Monate fast unbemerkte kleine GPS-Sender, welche die Bewegungen der Tiere als Daten sammeln. Eine Kamera zeichnet parallel auf, ob der Geier etwa frisst, döst oder fliegt. Die Kombination aus GPS-Daten und Videoaufnahmen ermöglichen das Training der Künstlichen Intelligenz, die auf den neu entwickelten Sendern zum Einsatz kommen wird. „Wir können in den Videos sekundengenau identifizieren, wann der Vogel welches typische Verhalten zeigt und können diese Stellen somit als Muster in den Bewegungsdaten erkennen“, erklärt Wanja Rast, KI-Spezialist am Leibniz-IZW. „Diese Trainingsdaten sind die Grundlage der Künstlichen Intelligenz, welche erstmals direkt auf dem Sender bestimmte Verhaltensmuster erkennt und bewertet.“
Zukünftig werden die Wissenschaftler*innen mit Hilfe von Künstlicher Intelligenz, moderner Kameratechnik, energieeffizienter Elektronik und satellitengestützter Kommunikationstechnik jegliche Verhaltensänderungen der Geier im natürlichen Lebensraum beinah in Echtzeit registrieren. Eine vorne auf der Brust des Geiers befestigte kleine Kamera wird dann in entscheidenden Momenten Fotos schießen, die wiederum mittels KI ausgewertet werden können. Eine neue satellitengestützte Kommunikations-Verbindung wird sicherstellen, dass auch in den entlegensten Ökosystemen die Informationen direkt vom Sender zum Satelliten und zu den Wissenschaftler*innen übertragen werden können. „Mit Hilfe der besenderten Geier in Afrika werden wir aus der Ferne prüfen können, was im Ökosystem vor sich geht. Wir werden somit eine Art Frühwarnsystem für ökologische Veränderungen schaffen“, erklärt Dr. Jörg Melzheimer, GAIA-Projektleiter im Leibniz-IZW. „Von Künstlicher Intelligenz detektierte kritische Veränderungen im Ökosystem – beispielsweise wenn Geier auf besonders viele Tierkadaver stoßen, was wiederum ein Hinweis auf einen lokalen Ausbruch von Wildtierkrankheiten sein könnte – können mit Hilfe der KI somit direkt erkannt und an die örtlichen Behörden kommuniziert werden. Die durch die Geier im Tierpark Berlin gesammelten Daten sind unverzichtbar für die Entwicklung der neuen Sendergeneration“, ergänzt Melzheimer.
Zoo und Tierpark Berlin unterstützen die Forschenden bei Ihrer Arbeit und leisten so einen wichtigen Beitrag für die Entwicklung modernster Technologien für den Artenschutz. „Wir als Zoologische Gärten Berlin sind essenzieller Partner für Bildung, Forschung und Artenschutz. Dank unseres Artenschutz-Programms können wir solch vielversprechende Projekte nicht nur in unseren Einrichtungen ermöglichen, sondern innovative Initiativen auch außerhalb von Zoo und Tierpark langfristig begleiten und gezielt unterstützen“, erklärt Zoo- und Tierparkdirektor Dr. Andreas Knieriem. „Wir freuen uns über die exzellente Zusammenarbeit zwischen den Forschenden des GAIA-Projekts und dem Team von Zoo und Tierpark Berlin“, ergänzt er.
Im weiteren Verlauf des Projekts wird das Team von Leibniz-IZW und Fraunhofer IIS den Prototypen zu einem voll einsatzfähigen Tiersender weiterentwickeln. Dazu wird auch gehören, dass die Sender untereinander kommunizieren können, also einen virtuellen Schwarm bilden, um gemeinsam Unregelmäßigkeiten im Ökosystem zu identifizieren. Die Sender werden exemplarisch für den Einsatz an Geiern im südlichen Afrika konzipiert, das System lässt aber auch auf andere Ökosysteme übertragen.
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