AU wegen Long-COVID oder Post-COVID: Wenige Betroffene aber lange Ausfallzeiten
In den zurückliegenden 29 Monaten (1.März 2020 bis 31. Juli 2022) haben insgesamt 377.567 durchgängig bei der AOK Baden-Württemberg versicherte Beschäftigte im Zusammenhang mit einer akuten COVID-19-Infektion in ihren Unternehmen gefehlt. Damit war seit Beginn der COVID-19-Pandemie mehr als jeder Vierte Beschäftigte (25,6 Prozent) betroffen. Pro Erkrankungsfall gab es im Durchschnitt 9 krankheitsbedingte Ausfalltage. 2,9 Prozent der Betroffenen waren laut der Diagnosen ihrer Arbeitsunfähigkeitsmeldung im weiteren Verlauf von Long-COVID oder Post-COVID betroffen. Dies waren seit Pandemiebeginn etwa 11.000 bei der AOK Baden-Württemberg versicherte Personen, die aufgrund ihrer Erkrankung in ihren Betrieben durchschnittlich 45,7 Tage fehlten.
Über den gesamten Pandemiezeitraum hinweg zeigte sich in der WIdO-Auswertung eine höhere Betroffenheit unter älteren und unter weiblichen bei der AOK Baden-Württemberg versicherten Erwerbstätigen. So war der Anteil der über 60-jährigen, die nach einer akuten COVID-Erkrankung längerfristig arbeitsunfähig waren, mehr als vier Mal so hoch wie der Anteil bei den unter 29-jährigen (1,3 Prozent versus 0,3 Prozent). Zudem waren ältere Erwerbstätige deutlich länger erkrankt als jüngere (53,8 Tage je Fall versus 33,5 Tage je Fall). Die Auswertung zeigt zudem, dass Frauen häufiger von Long-COVID oder Post-COVID betroffen waren als Männer (0,7 Prozent versus 0,9 Prozent). Dieser Unterschied zeigte sich trotz des jüngeren Altersdurchschnitts bei den weiblichen Erkrankten (49,3 Jahre versus 50,5 Jahre). Laut der Analyse des WIdO waren in Berufen der Gesundheits- und Krankenpflege sowie in Berufen der Kinderbetreuung und Kindererziehung die meisten Beschäftigten von Long- oder Post-COVID betroffen. „Dieses Ergebnis lässt sich zum einen mit dem Anteil akuter COVID-19-Infektionen in diesen Berufsgruppen erklären, der in Berufen mit vielen Kontakten zu anderen Menschen sehr viel höher war. Zum anderen spielen die Alters- und Geschlechtsstruktur sowie die Verteilung der Risiken für Vor- und Folgeerkrankungen in den einzelnen Beschäftigungsgruppen hierbei eine zentrale Rolle“, sagt Johannes Bauernfeind.
Allgemeiner Krankenstand im Jahr 2022 besonders stark gestiegen
Insgesamt ist der Krankenstand in Baden-Württemberg zwischen Januar und Juli 2022 mit 6,4 Prozent im Vergleich zum Vorjahr sehr stark gestiegen (Krankenstand Januar bis Juli 2021: 4,8 Prozent). Bei den Ursachen der Krankschreibungen zeigen sich im Südwesten deutliche Unterschiede zu den Vorjahren: Zwischen Januar und Juli 2022 ist die AU-Quote aufgrund von Atemwegserkrankungen auf 34 Prozent angestiegen und hat sich somit im Vergleichszeitraum des Vorjahres (11,4 Prozent) verdreifacht. Die Falldauer stieg dabei um 0,2 Tage auf 7,4 Tage je Krankheitsfall. Bei den Muskel-Skelett-Erkrankungen ist derweil ein Anstieg der AU-Quote (Januar bis Juli 2020: 13,3 Prozent versus Januar bis Juli 2022: 14,5 Prozent) bei einem zeitgleichen Rückgang der Falldauer (Januar bis Juli 2020: 16,8 versus Januar bis Juli 2022: 14,9) zu beobachten. Bei psychischen Erkrankungen ist ebenfalls ein Anstieg der AU-Quote um 0,2 Prozentpunkte von 2020 zu 2022 zu sehen, wobei die Falldauer sehr hoch und relativ konstant bei 27,1 Tagen je Fall liegt.
Höhepunkt der Krankmeldungen wegen akuter COVID-19-Erkrankungen im März 2022
Der wellenartige Verlauf der Prävalenz von COVID-19-Infektionen in der Bevölkerung spiegelt sich auch in den krankheitsbedingten Fehlzeiten aller bei der AOK Baden-Württemberg versicherten Beschäftigten wider. Nach mehreren Auf- und Abwärtsbewegungen seit Beginn der Pandemie erreichte die COVID-19-Pandemie ihren vorläufigen Höhepunkt im März 2022 mit 5.311 Erkrankten je 100.000 Beschäftigte.
Berufe in der Kinderbetreuung und Kindererziehung besonders von Infektionen betroffen
Vor allem Beschäftigte in den Branchen Erziehung und Gesundheitswesen waren von Erkrankungen im Zusammenhang mit einer akuten COVID-19-Infektion betroffen. Betrachtet man alle erwerbstätigen 2,5 Millionen Personen, die im Pandemie-Zeitraum von März 2020 bis Juli 2022 mindestens einen Tag bei der AOK Baden-Württemberg versichert waren, so waren Berufe der Kinderbetreuung und Kindererziehung mit 31.734 Erkrankten je 100.000 Mitglieder der AOK Baden-Württemberg am häufigsten betroffen, gefolgt von medizinischen Fachangestellten mit 28.203 Erkrankten je 100.000 Mitglieder der AOK Baden-Württemberg. In Berufen der Ergotherapie (26.034 Erkrankte je 100.000 Mitglieder der AOK Baden-Württemberg) und in Berufen der pharmazeutisch-technischen Assistenz (25.841 Erkrankte je 100.000 Mitglieder der AOK Baden-Württemberg) wurden ebenfalls viele Krankschreibungen im Zusammenhang mit akuten COVID-19-Infektionen verzeichnet. Die niedrigsten COVID-19-bedingten Fehlzeiten wiesen Berufe in der Landwirtschaft (2.864 Erkrankte je 100.000 Mitglieder der AOK Baden-Württemberg) und im Hochbau (6.774 Erkrankte je 100.000 Mitglieder der AOK Baden-Württemberg) auf. „Es ist zu befürchten, dass eine weitere COVID-19-Welle bis Ende 2022 wiederum mit einer flächendeckenden Betroffenheit in einer Vielzahl von Berufsgruppen verbunden sein könnte und dies auch Auswirkungen auf die COVID-19-bedingten Fehlzeiten bei Beschäftigten in der kritischen Infrastruktur hat.", so Bauernfeind.
Hinweise zur Auswertung der Krankschreibungen aufgrund von Long-COVID oder Post-COVID
Die WIdO-Analyse berücksichtigt nur Personen, bei denen vor einer dokumentierten Long-COVID- oder Post-COVID-Symptomatik eine AU-Meldung im Zusammenhang mit einer akuten COVID-19-Infektion in der ärztlichen Vorgeschichte dokumentiert war. Bundesweit wurde bei 29 Prozent aller von Long- bzw. Post-COVID-19-betroffenen Beschäftigten jedoch eine Arbeitsunfähigkeitsmeldung in Folge einer COVID-19-Infektion dokumentiert, ohne dass zuvor eine Krankmeldung im Zusammenhang mit einer akuten COVID-19-Infektion verzeichnet war. Dies war bei knapp 28.000 Personen der Fall. In dieser Beschäftigtengruppe war die Dauer pro AU-Fall zudem deutlich geringer als bei denjenigen mit dokumentierter akuter COVID-19-Infektion in der Vorgeschichte. Erklärungen für diese „Lücke“ könnten falsch-negative Testergebnisse, symptomfreie bzw. nicht-detektierte Akut-Erkrankungen, Akut-Erkrankungszeiten bis zu drei Tagen Arbeitsunfähigkeit, unterschiedliche Dokumentationsgewohnheiten bei Leistungserbringern sowie das uneinheitliche, verhältnismäßig weit und eher unscharf definierte Erkrankungsbild von Long- bzw. Post-COVID sein.
Die Bezeichnung Long-COVID umfasst aktuell ein breites Spektrum körperlicher und psychischer Beeinträchtigungen in der Folge einer akuten COVID-19-Infektion. Ein einheitliches Krankheitsbild lässt sich bis dato nicht eingrenzen. Beeinträchtigungen, die über vier Wochen bis maximal zwölf Wochen nach einer Infektion andauern, werden nach aktueller Definition der Weltgesundheitsorganisation als Long-COVID bezeichnet. Länger anhaltende Beeinträchtigungen werden als Post-COVID definiert. Um beide Folgen einer akuten COVID-19-Infektion abzubilden, beinhaltet die vorliegende Auswertung des WIdO gemäß den obenstehenden Definitionen sowohl das Long- als auch das Post-COVID-Syndrom. Ausgewertet wurden die entsprechenden Diagnosecodes, die ab Ende 2020 sukzessive eingeführt und damit auch in den arbeitsunfähigkeitsauslösenden Diagnosen dokumentiert wurden sowie AU-Fälle mit dokumentierter Akut-COVID-19-Diagnose, die länger als 28 Tage andauerten. Kardiale, neurologische, psychische oder weitere Folgeerkrankungen nach einer COVID-19-Erkrankung, die nicht als Long- oder Post-COVID klassifiziert wurden, blieben unberücksichtigt.
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