EuGH-Urteil zur Vorratsdatenspeicherung ist ein Sieg für die Zivilgesellschaft
„Seit zwanzig Jahren beharrte die Politik auf der grundrechtsproblematischen Vorratsdatenspeicherung und lenkte von den echten Problemen ab. So verhinderte die Politik die Einführung notwendiger grundrechtskonformer Maßnahmen", sagt padeluun, Mitgründer und Vorstand von Digitalcourage.
Eine Vorratsdatenspeicherung lässt weitreichende Rückschlüsse auf das Privatleben aller Bürgerinnen und Bürger zu. Denn auch ganz ohne Kenntnis der Gesprächsinhalte können die Verbindungsdaten Rückschlüsse auf die Lebenssituation von Menschen erlauben, Informant.innen der Presse gefährden oder vertrauliche Beziehungen zu Ärztinnen, Beratungsstellen oder Anwälten offenlegen. Eine anlasslose Vorratsdatenspeicherung erzeugt ein Gefühl des dauernden Überwacht-Werdens. Das darf es in einer Demokratie nicht geben.
Der EuGH stellt in seinem Urteil klar: Eine Speicherung von Verbindungsdaten ist immer ein schwerer Eingriff in die Grundrechte der betroffenen Menschen – auch wenn nur für einen kurzen Zeitraum gespeichert wird.
Der heutige Erfolg beruht auf viel langfristiger Arbeit der Zivilgesellschaft. Seit 2002 kämpft Digitalcourage (damals FoeBuD) gegen die Vorratsdatenspeicherung: mit einer ganzen Reihe von Großdemos unter dem Motto „Freiheit statt Angst“, mit Argumenten, Aufklärung, Kreativität und vielen Aktionen, mit einer ganz breiten Bewegung von Bündnispartnern. Digitalcourage-Gründungsmitglieder Rena Tangens und padeluun waren bereits an der Verfassungsklage des Arbeitskreises Vorratsdatenspeicherung (AK Vorrat) beteiligt, die 2010 erfolgreich die Vorratsdatenspeicherung in Deutschland zum ersten Mal zu Fall gebracht hat und führen den Kampf der Zivilgesellschaft gegen diese Form der Massenüberwachung seit nunmehr zwanzig Jahren.
Im Februar 2018 wurde eine aktuell laufende Verfassungsbeschwerde (BVer2683/16) von Digitalcourage vom Bundesverfassungsgericht angenommen. Mehr als 37.000 Menschen haben die Klage mit unterzeichnet und über zwanzig prominente Mitbeschwerdeführer.innen unterstützen sie – neben Rena Tangens und padeluun von Digitalcourage u.a. der Kabarettist Marc-Uwe Kling, der ex-Verdi-Vorsitzende Frank Bsirske, die Schriftstellerin Juli Zeh, der katholische Sozialethiker Friedhelm Hengsbach, der Piraten-Politiker Patrick Breyer und der Vorsitzende des Deutschen Journalistenverbandes Frank Überall.
Digitalcourage fordert Bundesregierung jetzt auf: Finger weg von anlassloser Speicherung
Justizminister Marco Buschmann sagte in seiner heutigen Pressekonferenz zum EuGH-Urteil: „Ein guter Tag für die Bürgerrechte“ und würdigte ausdrücklich das Engagement der Zivilgesellschaft. Amtskollegin Innenministerin Nancy Faeser dagegen brachte erneut eine anlasslose Speicherung sämtlicher IP-Adressen ins Spiel.
Marco Buschmann erwartet den neuen Gesetzentwurf innerhalb der nächsten zwei Wochen. Da werden die beiden Ministerien einiges zu diskutieren haben. Digitalcourage fordert von der Bundesregierung, nicht wieder den Geist eines EuGH-Urteils ins Gegenteil zu verkehren.
„Hallo Ampel: Im Koalitionsvertrag habt ihr geschrieben, dass es keine anlasslose Speicherung geben wird. Das heißt jetzt: Finger weg von einer anlasslosen Speicherung von IP-Verbindungsdaten!”, sagt Digitalcourage-Gründungsvorstand Rena Tangens.
Wie Verbrechen wirksam bekämpft werden können, insbesondere die von der Innenministerin ins Feld geführte Gewaltkriminalität gegenüber Kindern, hat Digitalcourage bereits 2020 dargelegt. Wirksame und rechtsstaatlich vertretbare Kinderschutz-Maßnahmen wären unter anderem der Ausbau von Präventionsmaßnahmen, ausreichend Personal bei Polizei und Justiz, um unverzüglich die Verfolgung konkreter Anhaltspunkte zu gewährleisten oder eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen für Ermittlerinnen und Ermittler. Wir empfehlen Nancy Faeser die Lektüre unseres Artikels:
https://digitalcourage.de/blog/2020/kinderschutz-vorratsdatenspeicherung-hilft-nicht
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