Vorschläge der Krankenhaus-Kommission zur Tagesbehandlung fördern weder Modernisierung noch Effizienz der Versorgung
Die Vorschläge der Regierungskommission sehen vor, dass es Kliniken künftig pauschal gestattet wird, im Einvernehmen mit den Patienten „Tagesbehandlungen“ durchzuführen. Wenn eine stationäre Leistung als Tagesbehandlung erbracht wird, soll es nur einen Abschlag für die Übernachtungskosten auf die DRG-Vergütung geben. „Das fördert weder die qualitätsorientierte Modernisierung der Krankenhaus-Strukturen, noch führt es zu mehr Effizienz der Versorgung“, kritisiert Carola Reimann. „Hier drohen neue, zusätzliche Ausgaben im Milliardenbereich, ohne dass die Beitragszahlenden dafür einen Mehrwert bekommen.“ Denn Krankenhäuser könnten zukünftig ihre Leistungen risikolos aus der ambulanten Vergütung nach dem Einheitlichen Bewertungsmaßstab (EBM) in die DRG-Vergütung steuern. „Das bedeutet im Kern: Dieselbe Leistung für die Patientinnen und Patienten zum vielfachen Preis“, so Reimann.
Zudem sieht der Kommissionsvorschlag vor, dass die bisherige EBM-Vergütung von ambulanten Notfällen im Krankenhaus um Betreuungszuschläge in Höhe von bis zu 400 Euro ergänzt wird. Angesichts der hohen Anzahl von etwa 10 Millionen ambulanten Notfällen pro Jahr in den Kliniken werde der vorgeschlagene Betreuungszuschlag zu erheblichen Mehrausgaben in Höhe von bis zu 4 Milliarden Euro führen, kritisiert Reimann. „Hier wird einfach nur mehr Geld ins System gepumpt, ohne Anreize für Verbesserungen in den Strukturen der Notfallversorgung zu setzen. In der Konsequenz kann man sich die geplante Notfallreform damit komplett sparen“, so Reimann.
Wirtschaftlichkeitspotenziale durch Ambulantisierung nutzen
Aus Sicht der AOK müsste die Neuordnung der ambulanten Leistungserbringung von Kliniken und Vertragsärzten dagegen genutzt werden, um Wirtschaftlichkeitspotenziale zu heben und die Versicherten spürbar zu entlasten: „Angesichts der riesigen Defizite der gesetzlichen Krankenkassen ist es zu kurz gesprungen, die Vergütung ambulanter Leistungen quasi auf DRG-Niveau anzuheben. Eine solche dauerhafte und systematische Überfinanzierung von ambulanten Leistungen können wir uns nicht mehr leisten.“ Eine rein auf finanzielle Anreize reduzierte Ambulantisierungs-Strategie trage überdies nicht zu einem ausgewogenen Angebot in den Regionen bei.
Ein weiterer negativer Effekt der von der Kommission vorgeschlagenen Regelungen sei, dass die Leistungserbringung in der vertragsärztlichen Praxis für Ärztinnen und Ärzte unattraktiv werde. Aufgrund der Überzahlung der Leistungserbringung im Krankenhaus könnten Vertragsärzte ihre Leistungen zukünftig erheblich lukrativer im Krankenhaus erbringen. Die entsprechenden rechtlichen Möglichkeiten seien vielfältig. So könnten zum Beispiel Krankenhausträger Tagesbehandlungen in den Räumlichkeiten eigener Medizinischer Versorgungszentren (MVZ) anbieten. „Überspitzt gesagt bedeutet der Vorschlag eine De-Ambulantisierung der Vergütung“, warnt Carola Reimann. „Damit hat er das Potenzial, eine Erosion bewährter ambulanter Strukturen im vertragsärztlichen Sektor auszulösen.“
Zudem weist die AOK darauf hin, dass bei Umsetzung des vorgeschlagenen Konzeptes auch weiterhin bei jedem einzelnen Patienten entschieden werden müsse, ob er als ambulanter oder stationärer Fall einzustufen ist. „Die Prüfung, ob hier korrekt entschieden worden ist, bleibt damit auch in Zukunft bestehen und würde sogar noch komplizierter“, so Reimann. „Es wäre besser gewesen, wenn man die Akteure, die die Vorschläge umsetzen müssen, von Anfang an in die Kommission eingebunden hätte“, betont Reimann. Das zeige sich auch daran, dass in dem Konzept Ansätze fehlten, um die Komplexität des Abrechnungssystems zu reduzieren.
AOK: Definierte Ambulantisierungsquote einführen
Um mehr Wirtschaftlichkeit und weniger Komplexität zu erreichen, schlägt die AOK die Festlegung eines prozentualen, bundeseinheitlichen Zielwertes für die Ambulantisierungsquote von zunächst 85 Prozent der Leistungen mit ambulantem Potenzial vor. Man könne auch mit einem niedrigeren Prozentsatz starten, der dann schrittweise angehoben werde, so Reimann. Welche Behandlungen im Einzelnen ambulant oder stationär erbracht werden, liegt dann in der Entscheidung des einzelnen Krankenhauses und muss nicht mehr im Einzelfall vom Medizinischen Dienst geprüft werden. Auf Basis der Ambulantisierungsquote würden die Leistungen anteilig ambulant beziehungsweise stationär vergütet. Die von jedem einzelnen Krankenhaus realisierte Ambulantisierungsquote könnte in den Budgetverhandlungen auf Basis der Ist-Daten des Vorjahres pro Krankenhaus ermittelt werden. „Das wäre eine einfache und schnell umsetzbare Lösung, die die Abrechnungsprüfung deutlich entlasten und zu einer immensen Vereinfachung führen würde“, betont Reimann.
Auch bei der Vergütung von ambulanten Leistungen schlägt die AOK ein pragmatisches Vorgehen vor: „Wir würden zunächst auf den etablierten Vergütungssystemen aufzusetzen, um eine jahrelange Entwicklungsarbeit zu vermeiden“, so Reimann. Demnach würden stationäre Leistungen im Rahmen der Fallpauschalen und ambulante Leistungen im Rahmen der EBM-Systematik vergütet. „In Kombination mit der Ambulantisierungsquote könnte dies eine schnelle Umsetzung der Ambulantisierung ermöglichen, die wir in Deutschland so dringend brauchen.“
Mittelfristig muss aus Sicht der AOK eine dauerhafte Vergütungsdifferenz zwischen ambulanter Leistungserbringung am Krankenhaus und der vertragsärztlichen Versorgung ausgeschlossen werden. Es müsse zeitnah eine gesetzliche Grundlage für die einheitliche Erfassung der Kostendaten von Leistungen mit Ambulantisierungspotenzial von Kliniken und Vertragsärzten geschaffen werden, um eine sektorenunabhängige Vergütung der Leistungen zu erreichen.
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