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Mit Leidenschaft für den Vertrieb

Nach einer Pandemie bedingten Zwangspause trafen sich die Mitglieder und Partner des Gesamtverbands Pressegroßhandel (GVPG) erstmals wieder live und persönlich zur Jahrestagung in Wiesbaden. Präsident Frank Nolte verband mit dem „Welcome back“ an die rund 230 Teilnehmer ein ermutigendes Fazit. Die Erfahrungen aus der Corona-Zeit hätten gezeigt, dass „unsere Branche stark, flexibel und kreativ ist“.

Während die eine Krise und ihre Folgen noch nicht komplett überwunden sind, hat die Branche durch Ukraine-Krieg, Energieknappheit und Inflation weitere Belastungen zu schultern. Die Konsumzurückhaltung ist bereits spürbar. Der Pressegroßhandel meldet für das erste Halbjahr 2022 gegenüber dem Vorjahreszeitraum rund 13 Prozent weniger Absatz, der Umsatz ist um 11 Prozent gesunken. „Das gab es noch nie“, sagte Nolte. Hinzukommen explodierende Kosten, etwa für Treibstoff und Personal. „Wir haben einen harten Winter vor uns“, so der GVPG-Chef, „und offenbar auch einen heißen Herbst“.

Damit meinte Frank Nolte die zugespitzte Lage bei den Verhandlungen zwischen Presse-Grosso und Zeitschriftenverlagen über eine neue Branchenvereinbarung. Den kurz vor der Jahrestagung bekannt gewordenen Vorstoß der Verlage Bauer, Bertelsmann, Burda, Funke, Spiegel und Springer zur Abstimmung untereinander über neue Vertriebsstrukturen beim Kartellamt bezeichnete der Verbandsvorsitzende als „einen Frontalangriff auf das Grosso und unser Pressevertriebssystem“. Er kündigte an, sich mit allen, auch juristischen Mitteln zu wehren. Sein Appell: „Stecken Sie nicht das Haus an, in dem wir gemeinsam sitzen. Zündeln Sie nicht an einem funktionierenden System, das allen Verlagen und Titeln offensteht, und das weiterhin weltweit als vorbildlich gilt.“ Nolte sagte, das Grosso habe ein Angebot unterbreitet, das Umsatzrückgänge und Kostensteigerungen fair verteilt.

Die Kritik kam bei den auf der Jahrestagung auftretenden Verlagsmanagern an. Torben Sieb, Vertriebsleiter des Spiegel-Verlags, stellte die Frage in den Raum: „Wie sieht ein zukunftssicheres Pressevertriebssystem in Deutschland aus?“ Das könnten Verlage und Presse-Grosso nur gemeinsam beantworten. Bianca Pohlmann, Geschäftsführerin Zeitschriften der Funke Mediengruppe, sprach davon, dass eine Erhöhung der Handelsspannen für die Verlage eine zu große Belastung wäre.

Bei aller Verhandlungsdynamik und den deutlich markierten Positionen von Presse-Grosso und Verlagen ermunterte der hessische Finanzminister Michael Boddenberg dazu, „um einen Interessensausgleich zu ringen“. Denn eine Presseversorgung in der Fläche sei wichtig. Der ländliche Raum dürfe gegenüber den urbanen Zentren nicht benachteiligt werden. Wozu das führen kann, „sehen wir an den politischen Extremen, die auch deshalb in den USA entstanden sind“, so Boddenberg.

Oliver Wurm, den die „Süddeutsche Zeitung“ in einem Beitrag „die lebende Sonderveröffentlichung“ genannt hat, gab einen launig-kritisch vorgetragenen Einblick in sein Schaffen. Der Journalist und Medienunternehmer bringt immer wieder kreative Publikationen heraus, von Grundgesetz und Gedichten im Zeitschriftenformat bis zu ungewöhnlichen Sportler-Biografien. Wurm denkt bei seinen Produkten den Vertrieb immer mit und hat so manche Erfahrung gemacht. Für sein Sticker-Album „Münster sammelt Münster“ zum Beispiel wurden rund eine Viertel Million Bilder-Tütchen über das Grosso verkauft. „Daran sieht man, was möglich ist.“ Regionalität sei ein Trend im Print-Business, ebenso höherpreisige Publikationen („Für tolle Haptik zahlen Magazin-Liebhaber auch zehn Euro statt sieben“) und Longread-Produkte wie seine inzwischen ausgebaute „Grundgesetz“-Reihe.

Dass sich Liebe zum Produkt und Leidenschaft für den Vertrieb wirtschaftlich auszahlen, dafür steht beispielhaft der Rewe-Markt im hessischen Heppenheim. Nach 2018 wurde er erneut mit dem Award „Bestes Presseregal“ ausgezeichnet. Die Presse-Abteilung präsentiert über 150 Vollsicht-Titel, es gibt eigens Sitzecken für junge und erwachsene Leser, monatlich wechselnde Schwerpunkt-Themen, frisches Obst und Blumen. In einer Talkrunde mit Frank Nolte und Maria Akhavan, Verlagsleiterin „Rundschau für den Lebensmittelhandel“, erläuterten Marktleiter Daniel Ludorf und seine fürs Pressesortiment zuständige Mitarbeiterin Anja Schramm, welches Konzept und welche Ideen dahinterstehen.

Moderator Jörg Jakob, im Hauptjob Chefredakteur des „Kicker“, schlüpfte zwischendurch in die Rolle des Referenten und verdeutlichte den Zeitenwechsel des Fußballs anhand eindrucksvoller Fotos, die das Gestern und Heute in sich ähnelnden Motiven erzählen. Das Fußballgeschäft habe „sich dramatisch weiterentwickelt, aber die Form des Balles nicht“. Jakob sieht darin eine Parallele zur Medienwelt: Die Bedingungen ändern sich, doch ihr Kern bleibt erhalten.

Während sich die Tagungsteilnehmer mit den kleinen und großen Fragen des Pressegroßhandels befassten, spannte Sebastian Reimann den Bogen weiter. Der Chefredakteur der „Deutschen Verkehrs-Zeitung“ sprach über die „Zukunftstrends in der Logistik“. Einer allein in Deutschland rund 300 Milliarden Umsatz-Euro starken Branche, die „fast überall drinsteckt, aber immer dann am besten funktioniert, wenn man überhaupt nicht merkt, dass es sie gibt“, so Reimann. Die Zukunft der Speziallogistik liege nach seiner Ansicht in der Öffnung der Netze für neue Produkte und Services.

Über Gesamtverband Pressegroßhandel e.V

Der GESAMTVERBAND PRESSEGROSSHANDEL tritt für einen diskriminierungsfreien Vertrieb von Zeitungs- und Zeitschriftensortimenten ein. Er leistet einen wesentlichen im öffentlichen Interesse stehenden Beitrag zur Pressefreiheit und –vielfalt. Zu seinen Kernaufgaben zählen praxisnahe Services im Bereich Marketing, Key Accounting und Datenmanagement sowie klassische Verbandsfunktionen wie Public Affairs, Öffentlichkeitsarbeit und Recht. www.pressegrosso.de

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