Juli 2022 in Deutschland: Kostendeckung im Milchsektor erstmalig erreicht
Die Tendenz war schon im April 2022 deutlich geworden. Seitdem sind die Erzeugerpreise weiter gestiegen. Allerdings zieht das keinen starken Anstieg der Milchproduktion mit sich. Im Vergleich zum Juli 2021 ging die Milchmenge im Juli 2022 sogar zurück – es wurden hier 0,6 Prozent weniger produziert. Für die Monate Januar bis Juli 2022 waren es sogar 1,3 Prozent weniger als im Vorjahreszeitraum. Es ist ersichtlich, dass der Zustand der Milchviehbetriebe, den die anhaltende starke Kostenunterdeckung der letzten Jahre geprägt hat, eine Reaktion auf höhere Preise kaum zulässt.
Die Milcherzeugung braucht langfristig stabile Preise, die neben der Kostendeckung, inklusive einem fairen Erzeugereinkommen, auch ausreichend Gewinn beinhalten müssen. Nur so kann die Zersetzung der Produktionsstruktur aufgehalten und es können auch junge Erzeuger wieder für den Sektor gewonnen werden. Die Politik muss handeln, um eine stabile Produktionsstruktur und damit die Ernährungssicherheit in der EU zu gewährleisten. Die dafür erforderlichen Rahmenbedingungen beinhalten u. a. ausreichend starke molkereiübergreifende Erzeugerorganisationen, Kriseninstrumente wie das Marktverantwortungsprogramm (MVP), eine sozial nachhaltige GAP sowie eine faire Vertragsgestaltung oder auch Spiegelmaßnahmen für EU-Importe.
Das ist umso wichtiger, da auch aktuell Milchproduzenten in der EU noch nicht einmal kostendeckende Preise erhalten. So lagen die Erzeugerpreise im Juli trotz massiver Kostenexplosionen für die Milchhöfe in Frankreich lediglich bei ca. 44 ct/kg Milch. So kann definitiv keine soziale und ökologische Nachhaltigkeit in der Landwirtschaft geschaffen werden. Doch die braucht es unbedingt.
Entwicklung der Milcherzeugungskosten in Deutschland
Hier finden Sie die Entwicklung der Kostensituation der deutschen Milchproduktion von 2014 bis Juli 2022.
Preis-Kosten-Ratio
Die Preis-Kosten-Ratio verdeutlicht, inwieweit das Milchgeld die Produktionskosten deckt. Im Juli 2022 waren die Produktionskosten der Milcherzeuger erstmalig gedeckt. Die Kostendeckung lag bei 116%.
Milch-Marker-Index (MMI)
Der Milch-Marker-Index (MMI) zeigt die Entwicklung der Kosten der Milchproduktion auf. Der MMI hatte im Juli 2022 einen Wert von 115, d. h. dass die Produktionskosten für deutsche MilcherzeugerInnen im Vergleich zum Basisjahr 2015 (2015 = 100) um fünfzehn Prozent gestiegen sind.
Biokostenstudie
Für Deutschland gibt es seit November 2019 nun auch Informationen zu den Milcherzeugungskosten im Biobereich.
Hier finden Sie die Studie "Was kostet die Erzeugung von Biomilch?" (Zeitraum: Wirtschaftsjahre 2011/12 – 2018/19) sowie aktuelle Daten für das Wirtschaftsjahr 2020/21 hier.
Studie zu den Produktionskosten acht wichtiger Milcherzeugungsländer
Nicht nur in Deutschland, sondern auch in sieben weiteren Ländern werden regelmäßig Kostenberechnungen durchgeführt.
Hier finden Sie die Berechnungen der Milchproduktionskosten in Belgien, Dänemark, Deutschland, Frankreich, Irland, Litauen, Luxemburg und den Niederlanden für das Jahr 2019 sowie hier eine Aktualisierung für das Jahr 2021 mit einer Aussicht für das erste Quartal 2022.
Kosten der Milchproduktion chronisch unterdeckt – was schafft Abhilfe?
Das European Milk Board schlägt die gesetzliche Verankerung eines Kriseninstruments vor, um der chronischen Unterdeckung entgegenzuwirken. Das Marktverantwortungsprogramm (MVP) beobachtet und reagiert auf Marktsignale durch eine Anpassung der Produktion. Sehen Sie hier eine kurze Beschreibung des Marktverantwortungsprogramms des EMB.
In einem offenen Brief der internationalen Erzeugerorganisationen ECVC und EMB an die EU-Institutionen wurden zudem weitere wichtige Elemente für einen funktionierenden EU-Milchsektor vorgestellt. Diesen offenen Brief sehen Sie hier.
Hintergrund:
Für die Studie „Was kostet die Erzeugung von Milch?“ hat das Büro für Agrarsoziologie und Landwirtschaft (BAL) 2012 im Auftrag des European Milk Boards und der MEG Milch Board erstmals die Milcherzeugungskosten in Deutschland flächendeckend berechnet. Die Kalkulation basiert auf Daten des Informationsnetzes landwirtschaftlicher Buchführungen der EU (INLB) sowie des Statistischen Bundesamtes (Destatis) und wird seit 2014 vierteljährlich aktualisiert.
European Milk Board
Bahnhofstr. 31
59065 Hamm
Telefon: +32 (2) 8081935
Telefax: +32 (2) 8088265
http://www.europeanmilkboard.org
Telefon: +32 (484) 5335-12