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Sturz auf dem Weg zum Hörgeräteakustiker kein Arbeitsunfall
Stürzt jemand auf dem Weg zum Geschäft eines Hörgeräteakustikers, gibt es keinen Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung. Auch dann nicht, wenn mit dem Arbeitgeber vereinbart wurde, bei der Arbeit ständig ein Hörgerät zu tragen. Dies entschied das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg am 10. Februar 2022 (AZ: L 3 U 148/20), wie das Rechtsportal „anwaltauskunft.de“ mitteilt. Die als Fahrdienstleiterin für die Deutsche Bahn tätige Klägerin leidet unter Einschränkungen ihres Hörvermögens. Mit ihrer Arbeitgeberin hatte sie daher schriftlich vereinbart, bei ihrer Arbeit stets Hörgeräte tragen und vorsorglich auch Ersatzbatterien mitführen zu müssen. Bei einer Spätschicht fielen ihre Hörgeräte unerwartet aus. Sie musste die Batterien wechseln. Am nächsten Vormittag wollte sie zum Geschäft ihres Hörgeräteakustikers, um…
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Cannabis statt neuer Hodenprothese?
Medizinisches Cannabis eignet sich zur Behandlung von chronischen Schmerzen. Dies bedeutet aber nicht, dass man einen Anspruch gegen die Krankenkasse hat, mit Cannabis versorgt zu werden. Die Krankenkasse kann dies mit dem Hinweis auf eine nachhaltige Behandlung der Schmerzursachen ablehnen. Dies ergibt sich aus einer Entscheidung des Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen vom 7. Juni 2021 (AZ: L 16 KR 163/21 B ER). In dem von der Arbeitsgemeinschaft Medizinrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV) mitgeteilten Fall hatte ein 42-Jähriger chronische Rückenschmerzen. Nach einer Krebsoperation im Jahre 2013 kamen weitere Beschwerden hinzu, die durch eine zu große Hodenprothese ausgelöst wurden. Nachdem der Mann verschiedene Medikamente ausprobierte hatte, ließ er sich zunächst Cannabisblüten auf Privatrezept verordnen.…
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Berufskrankheit: Schwerhörigkeit durch Hubschrauberlärm?
Eine 14-monatige Tätigkeit bei der Bodenabfertigung von Hubschraubern reicht selbst bei erhöhter Lärmbelastung nicht zur Anerkennung eines beruflichen Hörschadens. Es liegt dann keine Berufskrankheit vor. Dies entschied das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen am 20. Januar 2022 (AZ: L 14 U 107/20), wie das Rechtsportal „anwaltauskunft.de“ mitteilt. Der 54-Jährige arbeitete 14 Monate für einen Offshore-Helikopterservice in Ostfriesland. Zuvor war er bei verschiedenen Arbeitgebern als Kfz-Mechaniker, Filmvorführer und Bauarbeiter tätig. In den Jahren 2016 und 2017 arbeitete er für den Helikopterservice als Bodenabfertiger. Als bei ihm ein starker Tinnitus auftrat, äußerte sein behandelnder HNO-Arzt gegenüber der Berufsgenossenschaft den Verdacht auf eine Berufskrankheit. Der Mann sei in den ersten Monaten seiner Arbeit nur mit unzureichendem…
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Dreijährige Kinder haben Anspruch auf 6-stündige Betreuung in einem Kindergarten
Kinder, die das dritte Lebensjahr vollendet haben, haben bis zum Schuleintritt Anspruch auf Förderung in einer Kindertageseinrichtung von montags bis freitags im Umfang von jeweils 6 Stunden. Die Arbeitsgemeinschaft Sozialrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV) informiert über eine Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Lüneburg vom 15. Dezember 2021 (AZ: 10 ME 170/21). Der fünfjährige Antragsteller begehrt vom Landkreis einen zumutbaren und bedarfsgerechten Kindergartenplatzes mit einer Betreuungszeit von jeweils 6 Stunden von montags bis freitags. Das Verwaltungsgericht Göttingen hatte den Antrag abgelehnt. Sein Anspruch auf Zurverfügungstellung eines Kindergartenplatzes sei bereits Jahr 2019 erfüllt worden. Der Platz sei aber in der Zwischenzeit von dem Kindertagesstätten-Verband wegen des Verhaltens des Kindes gekündigt worden. Die Eltern des…
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Rückerstattung von Flugticketkosten – kein Anspruch von Fluggastportal
Nur selbst buchende und zahlende Fluggäste eines annullierten Fluges können von der Fluggesellschaft die Rückerstattung der Flugticketkosten verlangen. Nach Auffassung des Landgerichts Berlin kann dies nicht ein Fluggastportalbetreiber als sogenanntes legal tech-Unternehmen. Das Rechtsportal „anwaltauskunft.de“ informiert über die Entscheidung vom 24. März 2022 (AZ: 19 S 9/21). Bei der beklagten Fluggesellschaft waren für fünf Personen zu einem Gesamtpreis von 1.008,57 EUR fünf Plätze für Hin- und Rückflug von und nach Berlin im Jahre 2020 gebucht und bezahlt worden. Der ursprünglich vorgesehene Rückflug von dem spanischen Airport nach Berlin wurde von der beklagten Fluggesellschaft bereits vor dem Hinflug annulliert bzw. auf einen zwei Tage späteren Termin verschoben. Einer der fünf Fluggäste…
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Unfall wegen Disziplinierung des Hintermanns
Selbstjustiz hat im Straßenverkehr nichts zu suchen. Wer also lediglich zum Zwecke der Disziplinierung eines nachfolgenden Verkehrsteilnehmers stark abbremst, haftet für die Folgen eines Unfalls allein. Der grundsätzlich gegen einen Auffahrenden sprechende Anscheinsbeweis ist in einem solchen Fall entkräftet. Dies ergibt sich aus einer Entscheidung des Oberlandesgerichts Koblenz vom 16. Dezember 2021 (AZ: 12 U 1518/21), wie die Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV) mitteilt. Die Klägerin fuhr mit ihrem Auto auf einer Vorfahrtstraße. Die Beklagte bog mit einem LKW in die Vorfahrtstraße ein. Die Klägerin überholte den Beklagten, setzte sich vor ihn und bremste abrupt ab. Der LKW fuhr auf das Auto der Klägerin auf. Die Klage der Frau…
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Nur fünf Stundenkilometer zu schnell – keine Mithaftung des Unfallopfers
Bei Unfällen haftet der Geschädigte nicht allein schon deshalb mit, weil er lediglich fünf km/h zu schnell war. Voraussetzung ist, dass sich diese Geschwindigkeitsüberschreitung nicht auf den Unfall ausgewirkt hat. Die Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV) informiert über eine Entscheidung des Landgerichts Lübeck vom 11. November 2021 (AZ: 14 S 166/20). Der Beklagte hatte der Klägerin die Vorfahrt genommen und es kam zum Unfall. Dafür erhielt sie bereits 75 % ihres Schadens ersetzt. Die Versicherung des Beklagten sah ein Mitverschulden der Klägerin von 25 %. Sie begründete dies mit der Geschwindigkeitsüberschreitung der Klägerin. Nachdem das Amtsgericht die Klage auf die letzten 25 % Schadensersatz noch abgewiesen hatte, war die…
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Gefährlicher Gleisübergang – Bahnbetreiberin haftet bei Unfall anteilig
Bei einem tödlichen Unfall an einem Gleisübergang kann die Betreiberin eines Zuges mithaften, auch wenn die verunglückte Person ein erhebliches Eigenverschulden trifft. Voraussetzung ist, dass die Betriebsgefahr der Bahn wegen der Beschaffenheit des Bahnübergangs erhöht war. Dies entschied das Landgericht Frankfurt/M. am 23. Februar 2022 (AZ: 2-01 S 168/17), wie die Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV) mitteilt. Im Jahr 2015 starb an einem Bahnübergang eine 16-jährige Schülerin auf dem Weg zur Schule. Das Mädchen wurde von einem Zug erfasst. Der Bahnübergang liegt in einem Wohngebiet und wird von Fußgängern genutzt. Vor den Gleisen befindet sich ein sogenanntes Drängelgitter bzw. eine Umlaufsperre. Lichtzeichen oder akustische Warnsignale gab es nicht. Die…
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Kein Fahrverbot nur bei besonderer Härte
Wer 41 km/h zu schnell fährt, muss regelmäßig mit einem Monat Fahrverbot rechnen. Von diesem „Regelfahrverbot“ kann nur abgesehen werden, wenn Anhaltspunkte für eine außergewöhnliche Härte vorliegen. Das kann der Verlust des Arbeitsplatzes sein. Allerdings muss die Gefahr ausführlich begründet werden. Das Gericht kann nicht kritiklos die Äußerungen des Betroffenen übernehmen. Auch reichen bloße Vermutungen nicht. Dies entschied das Oberlandesgericht Frankfurt am Main (OLG) am 26. April 2022 (AZ: 3 Ss-OWi 415/22). Ein möglicher Jobverlust muss also konkret nachgewiesen werden, erläutert die Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV). Der Betroffene überschritt die zulässige Höchstgeschwindigkeit auf der A 3 im April 2021 um mindestens 43 km/h. Gegen ihn wurde eine Geldbuße…
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Gratismuster an Apotheker zu Demonstrationszwecken zulässig?
Arzneimittelhersteller dürfen Apotheken keine kostenlosen Arzneimittel zur Verfügung stellen. Es soll eine Beeinflussung der Apotheker verhindert werden. Allerdings können Außendienstmitarbeiter eines Arzneimittelherstellers kostenlos je eine einzelne Verkaufsverpackung eines nicht verschreibungspflichtigen Schmerzgels mit dem Aufdruck „Zu Demonstrationszwecken“ an Apotheker abgeben. Darin liegt kein Verstoß gegen das Arzneimittelgesetz oder das Heilmittelwerbegesetz. Bei einer geringwertigen Zugabe besteht nicht die Gefahr, den Apotheker unsachlich zu beeinflussen. Die Arbeitsgemeinschaft Medizinrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV) informiert über eine Entscheidung des Oberlandesgerichts Frankfurt/M. vom 10. Februar 2022 (AZ: 6 U 161/15). Es stritten sich zwei Vertreiber von apothekenpflichtigen Arzneimitteln. Das Sortiment der Beklagten umfasst ein nicht verschreibungspflichtiges Schmerzgel mit einem Apothekenabgabepreis von 9,97 €. Dieses Arzneimittel gaben…