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Kündigung wegen mitgenommenen Bürostuhls ins Homeoffice?
Gibt ein Arbeitgeber Homeoffice den Vorrang, kann er einem Mitarbeiter nicht einfach kündigen, weil dieser einen Bürostuhl mit nach Hause nimmt. Selbst dann, wenn dies ohne Absprache geschah. Die Arbeitsgemeinschaft Arbeitsrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV) informiert über eine Entscheidung des Arbeitsgerichts Köln vom 18. Januar 2022 (AZ: 16 Ca 4198/21). Geklagt hatte die Justitiarin und Leiterin der Stabsabteilung Recht des Erzbistums Köln. Da sie für das Homeoffice ohne Absprache einen Bürostuhl mitnahm, wurde ihr außerordentlich gekündigt. Die Kündigungsschutzklage war erfolgreich. Wer einfach Eigentum des Arbeitgebers mit nach Hause nehme, begehe eine Pflichtverletzung. Diese könne zu einer Kündigung führen. In der konkreten Situation könne die außerordentliche Kündigung aber nicht mit der…
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Grundsicherung: Kein Anspruch auf Toilettengeld
Auch wenn es keine kostenfreien öffentlichen Toiletten gibt, kann ein Bezieher von Grundsicherungsleistungen nicht Toilettengeld verlangen. Gerade nicht, wenn es sich um einen selbstbestimmten, täglich längeren Aufenthalt außerhalb der eigenen Wohnung handelt. Dies entschied das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen am 31. Januar 2022 (AZ: L 20 SO 174/21). Etwas anderes könnte nur gelten, wenn aus gesundheitlichen Gründen überdurchschnittlich viele Toilettengänge nötig wären, erklärt das Rechtsportal anwaltauskunft.de. Der Kläger ist Rentner und bezieht aufstockende Leistungen der Grundsicherung. Von der Stadt verlangte er 180 Euro pro Monat zusätzliche Grundsicherungsleistungen. Er müsse dreimal täglich außer Haus eine Toilette aufsuchen. Kostenlose öffentliche Toiletten habe die Stadt aber schon vor langer Zeit abgeschafft. Im Durchschnitt koste jeder…
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Nicht jedes Krankenhaus als Notfallversorger anerkannt
Damit ein Krankenhaus als „Spezialversorger“ anerkannt werden kann, müssen bestimmte Kriterien erfüllt sein. Das gilt auch für die Anerkennung als Zentrum mit Notfallversorgung. Bei einer solchen Einstufung gibt es Zuschläge bei der Vergütung der Krankenhäuser. Die Kriterien sind streng. Daher wurde die Klage eines Nierenzentrums vom Verwaltungsgericht Karlsruhe am 16. November 2021 (AZ: 7 K 3674/20) abgewiesen. Daran änderte auch die Kooperation mit der örtlichen Universitätsklinik nichts, erläutert die Arbeitsgemeinschaft Medizinrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV). Das Nierenzentrum Heidelberg bildet zugleich die Sektion Nierenkunde des Universitätsklinikums. Es wird jedoch von einem eigenen Verein getragen und ist als eigenständiges Krankenhaus im Krankenhausbedarfsplan des Landes ausgewiesen. Im gestuften System der Notfallstrukturen wollte das…
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Keine Klingel im Kreißsaal: Schmerzensgeld für Kind mit schwerem Gehirnschaden
Ein Krankenhaus handelt grob fehlerhaft, wenn eine Mutter kurz nach der Geburt während des „Bondings“ keine Klingel in Reichweite hat. Auch in der zweiten Stunde nach der Geburt muss die Mutter einen Arzt oder eine Hebamme rufen können, ohne aus dem Bett aufzustehen. Kommt es deswegen zu Schädigungen, müssen das Krankenhaus und die Hebamme Schmerzensgeld und Schadensersatz zahlen. Dies entschied das Oberlandesgericht Celle am 20. September 2021 (AZ: 1 U 32/20), wie die Arbeitsgemeinschaft Medizinrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV) informiert. Nach einer im Wesentlichen komplikationsfreien Geburt ließ die Hebamme Mutter und Kind allein. Kurze Zeit später erschien der Mutter das Baby „zu ruhig“. Anfangs dachte sie, dass es vielleicht schlafe.…
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Anspruch auf Gebärdensprachkurs für Vierjährige zu Hause
Behinderte Menschen haben Anspruch auf Leistungen der Eingliederungshilfe. Dazu gehört auch die Förderung der Verständigung, wenn die Sprachfähigkeit eingeschränkt ist. Ein vierjähriges Kind hat Anspruch auf einen Hausgebärdensprachkurs, bei welchem die Gebärdensprache im häuslichen Umfeld unterrichtet wird. Es muss sich nicht auf einen logopädischen Kurs zur Unterstützten Kommunikation verweisen lassen. Dies entschied das Hessische Landessozialgericht am 9. Dezember 2021 (AZ: L 4 SO 218/21 B ER). Die Gebärdensprache erleichtert die Teilhabe am Leben, erläutert die Arbeitsgemeinschaft Sozialrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV). Das 4-jährige Mädchen leidet an einer Sprachentwicklungsstörung, ohne sprachrelevante Hörstörung. Es kann nicht intuitiv die Zunge nach links, rechts oder oben bewegen. Daher kann es nur wenige Wörter verständlich…
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Anspruch des Krankenhauses gegen die Krankenkasse – Bei Transidentität Gynäkologie oder Urologie zuständig?
Für die Behandlung einer Frau mit Transidentität ist auch nach Abschluss einer Geschlechtsangleichung die ursprüngliche biologische Einordnung der behandelten Person maßgeblich. Nimmt die urologische Abteilung eines Krankenhauses die Behandlung vor, hat das Krankenhaus einen Anspruch auf Bezahlung gegen die Krankenkasse. Dieser besteht auch bei einer späteren Angleichung, selbst dann, wenn das Krankenhaus keinen Versorgungsauftrag für Gynäkologie hat. Die Arbeitsgemeinschaft Medizinrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV) informiert über eine Entscheidung des Sozialgerichts Berlin vom 13. September 2021 (AZ: S 56 KR 3604/18). In dem Fall stritten die Beteiligten nicht um die Notwendigkeit oder die Qualität der Krankenbehandlung, sondern nur um die Frage, ob diese vom Versorgungsauftrag des klagenden Krankenhauses umfasst war. Dies…
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Supermarktparkplatz: Unfall mit offener Tür
Wer ein- oder aussteigt, darf andere nicht gefährden. Kommt es zu einem Unfall wegen der geöffneten Tür, spricht der „Beweis des ersten Anscheins“ für einen Pflichtverstoß des Aussteigenden. Auch darf man auf einem Supermarktparkplatz die Tür nicht so lange geöffnet haben. Kann nicht bewiesen werden, dass jemand gegen die bereits offene Autotür gefahren ist, haftet der Halter des Autos mit der offenen Tür. Die Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV) informiert über eine Entscheidung des Amtsgerichts München vom 27. Oktober 2021 (AZ: 343 C 106/21). Die Klägerin verlangte wegen einer Kollision auf einem Supermarktparkplatz Schadensersatz. Ihr VW stand in einer Parkbucht auf dem Parkplatz eines Supermarktes. Auf dem Fahrersitz saß…
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Trunkenheit auf dem E-Scooter – Entzug der Fahrerlaubnis?
Wer ein Kraftfahrzeug fährt, verliert in der Regel ab 1,1 Promille seinen Führerschein, ein Radfahrer muss 1,6 Promille haben. Was ist aber bei einem betrunkenen E-Scooter-Fahrer, der mehr als 1,1 im Blut hat? Kommen Gründe hinzu, die gegen eine absolute Fahruntüchtigkeit sprechen, wird der Führerschein nicht entzogen, unabhängig von der Frage, ob ein E-Scooter ein Kraftfahrzeug ist oder wie ein Fahrrad zu behandeln ist. Dies entschied das Landgericht Halle am 16. Juli 2020 (AZ: 2 Qs 81/20), wie die Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV) mitteilt. E-Scooter sind nicht so gefährlich, wie die „klassischen“ Kraftfahrzeuge, wie Autos, Lkw usw. Der E-Scooter-Fahrer wurde nachts mit 1,28 Promille erwischt. Das Amtsgericht entzog…
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Unbefugte Datenweitergabe im Job – Fristlose Kündigung
Wer unbefugt Daten ausspäht und weitergibt, riskiert seinen Job. Liest jemand auf dem E-Mail-Konto des Arbeitgebers eine Nachricht, kopiert den Anhang der offensichtlich privaten E-Mail und leitet sie an eine dritte Person weiter, kann fristlos gekündigt werden. Dies entschied das Landesarbeitsgericht Köln am 2. November 2021 (AZ: 4 Sa 290/21), wie die Arbeitsgemeinschaft Arbeitsrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV) mitteilt. Die Klägerin arbeitete seit 23 Jahren bei einer evangelischen Kirchengemeinde in der Verwaltung. Bei Buchhaltungsaufgaben hatte sie auch Zugriff auf den Dienstcomputer des Pastors. Dort sah sie eine E-Mail, die auf ein gegen den Pastor gerichtetes Ermittlungsverfahren hinwies. Es ging um den Verdacht sexueller Übergriffe auf eine im Kirchenasyl der Gemeinde…
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Nicht jede Pille ist Medizin – Krankenkasse zahlt nicht alles
Nahrungsergänzungsmittel sind keine Arzneimittel. Sie müssen daher auch nicht von der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) übernommen werden. Das Rechtsportal anwaltauskunft.de informiert über eine Entscheidung des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 23. Dezember 2021 (AZ: L 16 KR 113/21). Eine 50-jährige Frau leidet an einer Intoleranz gegenüber Histamin in Lebensmitteln. Sie beantragte bei ihrer Krankenkasse die Kostenübernahme für Daosin-Kapseln. Ohne das Präparat könne sie fast keine Nahrung vertragen. Sie bekäme beim Essen schlimme Vergiftungen verbunden mit Herzrasen, Übelkeit, Schmerzen und Schwitzen. Diese Symptome ließen sich nur mit Daosin eingrenzen. Ihr fehle ein wichtiges Enzym zum Histaminabbau. Die Krankenkasse lehnte eine Kostenübernahme ab. Bei dem Präparat handele es sich um ein Nahrungsergänzungsmittel und nicht um…