-
Differenziertere Wohlstandsmessung zeigt Defizite der reinen Konzentration aufs BIP: Das Beispiel Flutkatastrophe
Die Flutkatastrophe im Spätsommer 2021 hat allein in Deutschland mehr als 180 Menschen das Leben gekostet, Tausende traumatisiert und Sachschäden in Milliardenhöhe verursacht. Sie ist ein wesentlicher Grund dafür, dass die gesamtgesellschaftliche Wohlfahrt als aggregiertes Maß für die Wohlstandsentwicklung in Deutschland 2021 gegenüber 2020 gesunken ist. Das ergibt die neue Auswertung des Nationalen Wohlfahrtsindex (NWI). Menschliches Leid können auch Indikatoren wie der NWI nicht beziffern, die das Ziel haben, die Wohlstandsentwicklung differenzierter abzubilden als es das Bruttoinlandsprodukt (BIP) alleine kann. Der NWI erfasst aber immerhin die materiellen Konsequenzen solcher Naturkatastrophen deutlich besser, außerdem bezieht er zahlreiche weitere Faktoren ein, unter anderem etwa die Einkommensverteilung. Daher ist der NWI von 2020…
-
Im Dezember und im Gesamtjahr 2022: Haushalte mit niedrigen bis mittleren Einkommen am stärksten durch Inflation belastet
Ärmere Familien hatten im Dezember mit weiterhin fast 10 Prozent die höchste Inflationsbelastung zu tragen, einkommensreiche Singles die niedrigste. Das gleiche Muster zeigt sich auch für das gesamte Jahr 2022, für das nun ebenfalls vollständige Daten vorliegen. Mit dem Rückgang der Inflation für den Durchschnitt aller Haushalte von 10 Prozent im November auf 8,6 Prozent im Dezember hat sich immerhin die soziale Schere, also der Abstand zwischen den höchsten und den niedrigsten haushaltsspezifischen Inflationsraten, wieder etwas verkleinert. Gemessen an den für sie jeweils repräsentativen Warenkörben lag die Teuerungsrate bei Familien mit niedrigen Einkommen im Dezember bei 9,8 Prozent gegenüber 7,1 Prozent bei Alleinlebenden mit sehr hohen Einkommen. Die Differenz betrug…
-
Höherer Mindestlohn bringt Millionen Beschäftigten mehr Geld pro Stunde und im Monat
Von der Anhebung des Mindestlohns auf zwölf Euro dürften über sechs Millionen Beschäftigte profitiert haben. Beim Großteil von ihnen hat sich dadurch nicht nur der Stundenlohn verbessert, auch ihre monatlichen Gehälter sind im Schnitt deutlich gestiegen, zeigt eine neue Studie des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung. Die Arbeitgeber haben also überwiegend auf die Erhöhung nicht etwa mit Arbeitszeitreduzierungen reagiert, wovor im Vorfeld manche Gegner gewarnt hatten. "Es ist daher damit zu rechnen, dass Millionen Beschäftigte durch die Mindestlohnerhöhung mehr Geld zur Verfügung haben", schreibt Studienautor Dr. Toralf Pusch. Das stelle für die Betroffenen gerade in Zeiten hoher Inflation eine wichtige Hilfe dar und dürfte auch zur Stabilisierung des…
-
Neue Werte
Die konjunkturellen Aussichten in Deutschland haben sich in den vergangenen Wochen noch einmal deutlich aufgehellt. Dementsprechend ist die Wahrscheinlichkeit, dass die deutsche Wirtschaft in nächster Zeit in eine Rezession gerät, spürbar gesunken, und zwar zum dritten Mal in Folge. Das signalisiert der Konjunkturindikator des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) der Hans-Böckler-Stiftung. Zum ersten Mal seit März 2022 schaltet der nach dem Ampelsystem arbeitende Indikator von „rot“ auf die niedrigere Warnstufe „gelb-rot“ zurück. Das steht zwar für eine weiterhin erhöhte konjunkturelle Unsicherheit im Winterhalbjahr, aber nicht mehr für eine akute Rezessionsgefahr. Für das erste Quartal 2023 von Januar bis Ende März weist der Indikator, der Daten zu den wichtigsten wirtschaftlichen…
-
Studie analysiert u.a. Einfluss von EuGH-Rechtsprechung
Die Kirchen konnten in arbeitsrechtlichen Angelegenheiten lange auf weitgehende Sonderregelungen pochen. Tatsächlich ist die Ungleichbehandlung von Beschäftigten aber nur in Ausnahmefällen gerechtfertigt. Das zeigt ein neues Rechtsgutachten, das das Hugo-Sinzheimer-Institut (HSI) der Hans-Böckler-Stiftung gefördert hat.* Die Vorstellung, dass sich der Arbeitgeber in ihr Privatleben einmischen oder ihnen eine bestimmte Weltanschauung vorschreiben könnte, dürfte den meisten Beschäftigten befremdlich erscheinen. Kirchliche Beschäftigte sind daran gewöhnt: Etliche von ihnen haben in der Vergangenheit ihre Stelle verloren, weil sie sich beispielsweise für eine zweite Ehe oder eine gleichgeschlechtliche Partnerschaft entschieden haben. Deutsche Arbeitsgerichte haben dem Gebaren der Kirchen regelmäßig ihren Segen erteilt – mit Verweis auf deren Selbstbestimmungsrecht. Wie weit dieses Recht reicht, hat…
-
Reform der EU-Fiskalregeln: Kommissionsvorschlag geht in die richtige Richtung, aber entscheidend ist konkrete Ausgestaltung
Die EU-Fiskalregeln sollen 2023 reformiert werden. Ein Vorschlag der Europäischen Kommission dafür liegt auf dem Tisch. Der Europäische Rat und das Europäische Parlament werden dazu demnächst Stellung beziehen. Kernpunkte des Vorschlags: Der ehemals zentrale Referenzwert für die Staatsverschuldung von 60 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) verliert an Bedeutung, stattdessen soll die Konsolidierung in hochverschuldeten Ländern über mit der Kommission verhandelte "mittelfristige Haushaltsstrukturpläne" organisiert werden. Der Kommissionsvorschlag bleibt zwar an manchen Stellen hinter den Möglichkeiten zurück, er geht aber in die richtige Richtung, ergibt eine neue Analyse des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) der Hans-Böckler-Stiftung.* Denn er lässt mehr Spielräume, um trotz Konsolidierungskurs bessere Voraussetzungen für wirtschaftliches Wachstum und für Investitionen…
-
Wirtschaftspolitische Herausforderungen 2023: Relativ gute Ausgangsposition in Deutschland, Zinspolitik großer Risikofaktor
Die Bundesregierung hat den akuten Druck auf Einkommen und Wachstum infolge explodierender Preise reduziert, es bleibt aber deutlicher Verbesserungsbedarf bei der Verteilungsgerechtigkeit der Entlastungpakete; erste Fortschritte bei der Stärkung von langfristigen Qualifizierungen sind absehbar, auch durch das Bürgergeld; eine überzeugende Antwort auf die offensive Industriepolitik der USA, eine Stärkung des Tarifsystems und ein beschleunigter Ausbau erneuerbarer Energien sind wichtige Aufgaben für die nahe Zukunft – so lauten Eckpunkte einer neuen Studie zur wirtschaftspolitischen Situation in Deutschland, die das Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) der Hans-Böckler-Stiftung zum Jahresbeginn 2023 vorlegt.* Neben der Bundesregierung steht in diesem Jahr die Europäische Zentralbank (EZB) im Zentrum der Analyse von Herausforderungen und Risiken: Deren…
-
Im Job, wenn andere feiern: Zwischen 8 und 20 Prozent aller Erwerbstätigen müssen an den Festtagen arbeiten
Sie kümmern sich um Menschen in Not, sie machen Weihnachtseinkäufe in letzter Minute möglich oder bringen dringend benötigte Güter von A nach B: Ein Teil der Erwerbstätigen in Deutschland muss arbeiten, während und damit die Mehrheit der Bevölkerung Weihnachten und den Jahreswechsel feiern kann. Wer an den kommenden Festtagen "im Dienst" ist, hat das Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Institut (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung untersucht.* Zentrale Befunde der neuen Studie: Je nach Tag und Uhrzeit arbeiten zwischen 8 und 20 Prozent aller Erwerbstätigen. Besonders hoch sind die Anteile im Gastgewerbe, dem Handel, in Verkehr und Logistik sowie im Gesundheits- und Sozialwesen (siehe auch die Tabellen 1 und 2 in der pdf-Version dieser PM;…
-
Beitrag zu mehr bezahlbarem Wohnraum: Gemeinnützigkeit für Wohnungsunternehmen kompatibel mit EU-Recht
Die Bundesregierung hat sich vorgenommen, Unternehmen, die bezahlbaren Wohnraum anbieten, wieder den Status der Gemeinnützigkeit zu verleihen. Das ist unter bestimmten Voraussetzungen mit EU-Recht kompatibel, ergibt ein neues, von der Hans-Böckler-Stiftung gefördertes Rechtsgutachten.* Nicht nur der soziale Wohnungsbau ist seit Ende der 1980er-Jahre in Deutschland immer mehr eingeschlafen, die damalige Regierung schaffte 1990 auch die sogenannte Wohngemeinnützigkeit ab. Seither ist es nicht mehr möglich, Unternehmen, die günstigen Wohnraum für Menschen mit kleinen oder mittleren Einkommen anbieten, durch Steuererleichterungen und Zulagen zu fördern. Dabei haben gemeinnützige Wohnungsunternehmen zwischen 1950 und 1985 mehr als 3,6 Millionen Wohnungen errichtet und damit erheblich zur Linderung des Wohnungsmangels in der alten Bundesrepublik beigetragen. Heute steht…
-
IMK-Konjunkturindikator: Rezessionsrisiko erneut spürbar gesunken
Die deutsche Wirtschaft könnte den konjunkturellen Tiefpunkt in Folge der Energiekrise bereits durchlaufen haben – mit der Konsequenz, dass es im Winterhalbjahr zwar eine Rezession gibt, diese aber milder ausfallen dürfte als noch vor einigen Monaten befürchtet. Das signalisiert der Konjunkturindikator des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) der Hans-Böckler-Stiftung mit seinen neuen Werten: Die Wahrscheinlichkeit, dass die deutsche Wirtschaft in den kommenden drei Monaten in eine Rezession gerät, ist zum zweiten Mal in Folge spürbar gesunken. Für den Zeitraum von Dezember bis Ende Februar 2023 weist der Indikator ein Rezessionsrisiko von 52,5 Prozent aus, nach 65,3 Prozent Anfang November und 80,8 Prozent Anfang Oktober. Gleichzeitig ist die statistische Streuung,…