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Anwendungsbegleitende Datenerhebung: Registerdaten können für die Nutzenbewertung hilfreich sein
Für die Nutzenbewertung von Arzneimitteln bedarf es Daten zum Vergleich mit dem therapeutischen Standard. Da die Zulassung von Orphan Drugs häufig auf Basis nicht vergleichender Daten erfolgt, hat der Gesetzgeber ab 2020 das Verfahren der anwendungsbegleitenden Datenerhebung (AbD) eingeführt. Ziel ist es, bestehende Evidenzlücken zu schließen und so eine bessere Datenbasis für die Nutzenbewertung zu erhalten. Mittlerweile liegen erste Erfahrungen aus der Prüfung von Studienunterlagen der pharmazeutischen Hersteller vor. Sie betreffen inhaltliche und methodische Aspekte der Studienplanung, Studiendurchführung und Datenauswertung sowie erste Zwischenergebnisse aus laufenden AbDs, die Register als Datenquelle nutzen. Vor diesem Hintergrund hat der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) das IQWiG mit der wissenschaftlichen Ausarbeitung ausgewählter Aspekte zur Generierung und…
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Schwelendes multiples Myelom: Ob Daratumumab die Lebenszeit verlängert, bleibt offen
CD38-Antikörper wie Daratumumab und Isatuximab gehören in Kombinationstherapien bereits länger zur Standardbehandlung des aktiven multiplen Myeloms in der ersten Therapielinie. In einer frühen Nutzenbewertung hat das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) nun untersucht, ob Daratumumab auch bereits Patientinnen und Patienten in einer Vorstufe des multiplen Myeloms, auch schwelendes multiples Myelom genannt, Vorteile gegenüber beobachtendem Abwarten bietet. Die zentrale Frage der Nutzenbewertung, nämlich ob diese frühe Behandlung mit Daratumumab bereits im Stadium des asymptomatischen schwelenden multiplen Myeloms das Gesamtüberleben der Patientinnen und Patienten verbessert, kann durch die vom Hersteller vorgelegte Studie AQUILA jedoch nicht beantwortet werden. Insgesamt ist ein Zusatznutzen von Daratumumab nicht belegt. Das Problem der Studie…
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Darolutamid vs. Apalutamid bei Prostatakarzinom: Indirekter Vergleich zeigt keinen Zusatznutzen
Im Juli dieses Jahres hat die EU-Kommission Darolutamid in Kombination mit einer Androgendeprivationstherapie (ADT) für die Behandlung von Patienten mit metastasiertem hormonsensitivem Prostatakarzinom (mHSPC) zugelassen. Damit kann der Wirkstoff bei mHSPC-Patienten nun auch ohne gleichzeitige Chemotherapie eingesetzt werden. Das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) prüfte in einer Nutzenbewertung, ob Darolutamid den Patienten einen Zusatznutzen gegenüber der zweckmäßigen Vergleichstherapie bietet. Das Ergebnis: Ein Zusatznutzen ist nicht belegt. Der Hersteller legte dem IQWiG und dem G-BA eine Studie vor, in der Darolutamid + ADT mit Placebo + ADT verglichen wird. Es gibt für die Nutzenbewertung aber keine Studie, die Darolutamid direkt mit dem aktuellen medizinischen Standard Apalutamid vergleicht. Und…
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Koronare Herzkrankheit: Kardiale Magnetresonanztomografie ist sinnvolle Ergänzung zur bisherigen KHK-Diagnostik
Die kardiale Magnetresonanztomografie (MRT) ist ein geeignetes nicht invasives Verfahren zur funktionellen Diagnostik bei Patientinnen und Patienten, bei denen sich nach einer Basisdiagnostik der Verdacht auf chronische koronare Herzkrankheit (KHK) oder Verdacht auf das Fortschreiten einer schon bekannten KHK ergibt: Die kardiale MRT hat eine mindestens vergleichbare Treffergenauigkeit (diagnostische Güte) wie die SPECT (Single Photon Emission Computed Tomography) im Erkennen von KHK. Allerdings kommt die kardiale MRT dabei ohne Strahlenbelastung für die Betroffenen aus. So das abschließende Fazit der Nutzenbewertung: Das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) hat die Vor- und Nachteile der kardialen MRT im Vergleich zu einer Diagnosestrategie ohne MRT im Auftrag des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) überprüft. Es…
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Evidenz in Not – wie Wissenschaft Politik erreicht
Wie kann Wissenschaft politische Entscheidungsprozesse wirksam und nachhaltig beeinflussen? Wie können Wissenschaft und Politik effektiv zusammenarbeiten? Und wie lässt sich das Spannungsverhältnis zwischen wissenschaftlicher Unabhängigkeit und politischer Praxis auflösen? Das alles sind Fragen, denen wir auf dem diesjährigen IQWiG-Herbst-Symposium nachgehen wollen. Zum Auftakt der Veranstaltung im „smartvillage“ in Köln-Mülheim bieten zwei Keynotes von Referenten des Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung (BiB) erste Impulse zur evidenzbasierten Politikgestaltung. Anschließend folgt ein Dialog mit dem Titel: „Was braucht die Politik von der Wissenschaft?“ Im Fokus steht dabei zum Beispiel die Frage, wie unabhängige wissenschaftliche Politikberatung stärker verankert werden kann – speziell im Gesundheitsbereich. Und wie wissenschaftliche Akteure und Institutionen besser für die Politikberatung befähigt werden…
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Andexanet alfa bei Hämorrhagie: Hoffnung hat sich nicht erfüllt
Kommt es während einer Behandlung mit einem Gerinnungshemmer zu einer lebensbedrohlichen oder nicht kontrollierbaren Blutung, muss die Wirkung des Antikoagulans, also des Gerinnungshemmers, so schnell wie möglich aufgehoben werden. Für die Antikoagulation mit Rivaroxaban oder Apixaban steht seit 2019 der Wirkstoff Andexanet alfa zur Verfügung, der damals als vielversprechend wahrgenommen wurde. In einer ersten frühen Nutzenbewertung lagen jedoch keine vergleichenden Studiendaten vor, sodass das Fazit lautete: Zusatznutzen nicht belegt. Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) fasste einen befristeten Beschluss. Nach Ablauf der Befristung hat der Hersteller nun erneut ein Dossier eingereicht, das diesmal aussagekräftige Daten aus einer Studie enthält, die die europäische Zulassungsbehörde (EMA) veranlasst hatte. In diese Studie waren ganz überwiegend…
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Kinästhetik: Profitieren pflegebedürftige Personen oder beruflich Pflegende von ihrer Anwendung?
Im Auftrag des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) hat ein Wissenschafts-Team unter der Leitung des Instituts und Poliklinik für Allgemeinmedizin am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf sowie des Instituts für Sozialmedizin und Epidemiologie der Universität zu Lübeck untersucht, ob die Anwendung von Kinästhetik („Lehre von der Bewegungsempfindung“) für Pflegebedürftige mit Mobilitätseinschränkungen und für beruflich Pflegende Vorteile bringt. Das Ergebnis: Für die Pflegebedürftigen zeigen die von den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern identifizierten Studien keine gesundheitlichen Vor- oder Nachteile durch die Anwendung von Kinästhetik in der Pflege. Die Aussagekraft dieser Studien ist zudem wegen methodischer Mängel eingeschränkt. Methodisch hochwertige Studien, die den Nutzen für beruflich Pflegende untersuchen, fehlen ganz. Der Nutzen oder Schaden…
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Erste EU-HTA-Bewertungen mit IQWiG-Beteiligung gestartet
Im März 2025 startete das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) in die gemeinsame europäische Nutzenbewertung (JCA – Joint Clinical Assessment) des Wirkstoffs Tovorafenib. Dieser soll bei Kindern und Jugendlichen mit niedriggradig malignem Gliom, einem langsam wachsenden Tumor des Zentralnervensystems, eingesetzt werden. Das irische National Centre for Pharmacoeconomics (NCPE) übernimmt in diesem Verfahren die Rolle des Assessors, das IQWiG fungiert als Co-Assessor. Der Abschluss ist für das zweite Quartal 2026 geplant, kurz nach der erwarteten Zulassung des Wirkstoffs. Zusätzlich beteiligt sich das IQWiG aktuell an drei weiteren JCAs von Onkologika als Assessor. Diese Bewertungen sollen im dritten Quartal 2026 abgeschlossen sein. Partnerorganisationen bei diesen Projekten sind Infarmed (National…
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Colitis ulcerosa: Vergleichende Studie liefert wichtige Erkenntnisse
Der humane monoklonale Antikörper Guselkumab ist seit April 2025 für bestimmte Erwachsene mit mittelschwerer bis schwerer aktiver Colitis ulcerosa zugelassen. In einer Nutzenbewertung hat das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) nun geprüft, ob Guselkumab diesen Betroffenen einen Zusatznutzen bietet. Für Patientinnen und Patienten, die nicht (mehr) auf eine konventionelle Therapie ansprechen bzw. diese nicht vertragen, liegen Ergebnisse einer randomisierten kontrollierten Studie (RCT) vor. Diese enthält einen direkten Vergleich von Guselkumab mit Golimumab. Die Ergebnisse zeigen zwar Tendenzen zu Vorteilen von Guselkumab bei Morbidität und gesundheitsbezogener Lebensqualität. Insgesamt ergibt sich aber kein klinisch relevanter Vorteil für Guselkumab und damit kein Zusatznutzen gegenüber der bisherigen Standardtherapie. „Wir haben in…
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Selpercatinib beim medullären Schilddrüsenkarzinom: RCT zeigt große Überlebensvorteile
Selpercatinib ist für mehrere Anwendungsgebiete zugelassen, unter anderem als Monotherapie zur Behandlung des fortgeschrittenen RET-mutierten medullären Schilddrüsenkarzinoms in der Erstlinie. Der Wirkstoff blockiert ein Enzym, das in den Krebszellen mutiert ist und diesen ständig Wachstumssignale gibt. Die Blockade soll die Krebszellen an der weiteren Teilung hindern. Die erste Nutzenbewertung in dieser Indikation endete 2023 mit einem befristeten Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA), da eine laufende randomisierte kontrollierte Studie noch keine Ergebnisse geliefert hatte. Die relevanten Daten liegen nun vor, sodass das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) erneut eine Nutzenbewertung durchgeführt hat. Das Ergebnis: Gegenüber der zweckmäßigen Vergleichstherapie Vandetanib oder Cabozantinib zeigt Selpercatinib als Monotherapie zahlreiche, teils deutliche…